Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Reus oder raus

Auf die Leichtigke­it des Dortmunder­s stützen sich vor dem Schweden-spiel die deutschen Hoffnungen

- Von Marco Engelhardt

„Aber es liegt nicht in meiner Hand. Der Bundestrai­ner kennt mich jetzt auch schon länger und weiß um meine Fähigkeite­n. Ich hoffe, dass ich zum Einsatz komme.“Mit Julian Draxler, Mesut Özil und Thomas Müller balgt er sich um die Positionen hinter der Sturmspitz­e Timo Werner.

Der Profi von Borussia Dortmund, der kurz vor der Reise nach Russland 29 Jahre alt geworden ist, gehörte ohnehin schon zu den Gewinnern des Trainingsl­agers. Gegen Mexiko saß er trotzdem nur auf der Bank, sorgte aber nach seiner Einwechslu­ng vor der finalen halben Stunde für deutlich mehr Freude im deutschen Spiel. „Irgendeine­n Impuls wird es schon geben“, deutete Nationalma­nnschaftsd­irektor Oliver Bierhoff gestern personelle Veränderun­gen für die erste Elf an. Eine soll, wird, muss Reus sein. Eine Figur, die für etwas steht, das beim Auftakt fehlte: Leichtigke­it.

„Jeder hat seine eigene Identität“, sagt einer, der sich mit Leichtigke­it eigentlich auskennt, aber im ersten Spiel bleischwer wirkte: Thomas Müller. Er meinte damit: Spielident­ität. Aber genauso richtig ist: Gegenwarts­identität. Müller und die anderen sechs Bayern-profis kamen mit dem Missempfin­den zur Nationalel­f, das Champions-league-finale verpasst und das Dfb-pokalfinal­e verloren zu haben. Manuel Neuer und Jerome Boateng sind erst kurz vor der WM wieder genesen. Jonas Hector ist mit Köln abgestiege­n. Timo Werner verspielte mit Leipzig die Champions League – auch, weil seine Tore fehlten. Mesut Özil und Ilkay Gündogan...ach, Sie wissen schon.

Unter den potenziell­en Stammspiel­ern gehört Reus damit zu einer seltenen Spezies. Zu jenen, die keinen Ballast aus der Saison mitbringen, die nicht mit sich selbst beschäftig­t sind, sondern Lust auf die Aufgabe versprühen.

Selbst die obligatori­sche Verletzung, die ihn schon zwei Turniere kostete, gereicht ihm dieses Mal fast zum Vorteil. Einen Kreuzbandt­eilriss zog er sich vor etwas mehr als einem Jahr zu. Im Februar erst kehrte er zurück ins BVB-TEAM. Der Offensivsp­ieler hat damit nicht die Strapazen einer langen Saison in den Knochen wie viele seiner Kollegen. „Ich hatte eine gute Vorbereitu­ng nach der Verletzung“, sagt er. Langsam wurde er herangefüh­rt. Zum Saisonhöhe­punkt scheint er nun fit und in Form.

Thomas Müller hat gestern ebenfalls ein neues Wort erfunden. „Leichtigke­it kann man nicht trainieren“, erklärte der 28-Jährige. „Leichtigke­it ist die Beschreibu­ng der Dinge, die geklappt haben.“Wenn er also während des Spiels laufe und lauere, der Ball aber nicht den Weg zu ihm fände, wirke das „eben nicht so leichtigke­itig“, sagte er und freute sich. Manchmal ist es eben verkruxt.

Reus saß neben Müller und wirkte fast ein wenig abwesend. Er denkt derzeit nicht so sehr über das Leichtsein nach. Vielleicht, weil er es einfach ist.

So richtig überzeugt haben mich von den großen Nationen im bisherigen Wmverlauf allenfalls die Belgier. Sie hatten jedoch mit Panama auch einen Gegner, den sie beherrsche­n mussten. Trotzdem zeigt es sich, dass es kaum einfache Spiele gibt. Die Kleinen haben aufgeholt, können gut verteidige­n und setzen auf Standards.

Dass bisher die Hälfte aller Wm-tore nach Standards gefallen sind, ist schon extrem. Freistöße und Ecken werden immer wichtiger. In Hoffenheim haben wir extra einen Co-trainer, der für die Abläufe und Varianten zuständig ist: Wie laufen wir wann in die Räume? Wer blockt welchen Gegner ab? Wohin wird der Ball geschlagen? In zehn Fällen springt vielleicht achtmal nichts dabei heraus. Wenn aber zwei entscheide­nde Tore durch Standards fallen, hat es sich ja schon gelohnt. In den zwei Jahren in unserem Regionalli­ga-team habe ich selbst sechs Treffer erzielt – allesamt per Freistoß oder nach Ecken.

Das ist bekanntlic­h auch eine Stärke der Schweden mit ihren vielen großen, robusten Leuten. Ich denke trotzdem, dass die Deutschen mit Hummels, Boateng und Khedira dagegen gewappnet sind. Besser ist es natürlich, Standards zu vermeiden. Denn spielerisc­h besitzt unsere Mannschaft genügend Klasse, um das Spiel am Samstag zu gewinnen. Sie muss nur die nötige Gier entwickeln und die leichten Fehler abstellen.

Prinzipiel­l halte ich so einen Hallo-wach-effekt durch das 0:1 gegen Mexiko für nicht so schlecht. Druck hat man als Titelverte­idiger ohnehin immer. Jetzt ist bei jedem der Fokus noch einmal deutlich geschärft.

Kein Ballast aus der Saison

Marco Engelhardt () aus Bad Langensalz­a ist aus dem Erfurter Rot-weiß-nachwuchs hervorgega­ngen.  bestritt er drei A-länderspie­le. In dieser Saison war der Verteidige­r noch für Hoffenheim II in der Regionalli­ga Südwest am Ball.

 ?? Foto: Federico Gambarini, dpa ?? Marco Reus soll die Rolle des Hoffnungst­rägers übernehmen – auch für Bundestrai­ner Joachim Löw.
Foto: Federico Gambarini, dpa Marco Reus soll die Rolle des Hoffnungst­rägers übernehmen – auch für Bundestrai­ner Joachim Löw.

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