Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)
Reus oder raus
Auf die Leichtigkeit des Dortmunders stützen sich vor dem Schweden-spiel die deutschen Hoffnungen
„Aber es liegt nicht in meiner Hand. Der Bundestrainer kennt mich jetzt auch schon länger und weiß um meine Fähigkeiten. Ich hoffe, dass ich zum Einsatz komme.“Mit Julian Draxler, Mesut Özil und Thomas Müller balgt er sich um die Positionen hinter der Sturmspitze Timo Werner.
Der Profi von Borussia Dortmund, der kurz vor der Reise nach Russland 29 Jahre alt geworden ist, gehörte ohnehin schon zu den Gewinnern des Trainingslagers. Gegen Mexiko saß er trotzdem nur auf der Bank, sorgte aber nach seiner Einwechslung vor der finalen halben Stunde für deutlich mehr Freude im deutschen Spiel. „Irgendeinen Impuls wird es schon geben“, deutete Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff gestern personelle Veränderungen für die erste Elf an. Eine soll, wird, muss Reus sein. Eine Figur, die für etwas steht, das beim Auftakt fehlte: Leichtigkeit.
„Jeder hat seine eigene Identität“, sagt einer, der sich mit Leichtigkeit eigentlich auskennt, aber im ersten Spiel bleischwer wirkte: Thomas Müller. Er meinte damit: Spielidentität. Aber genauso richtig ist: Gegenwartsidentität. Müller und die anderen sechs Bayern-profis kamen mit dem Missempfinden zur Nationalelf, das Champions-league-finale verpasst und das Dfb-pokalfinale verloren zu haben. Manuel Neuer und Jerome Boateng sind erst kurz vor der WM wieder genesen. Jonas Hector ist mit Köln abgestiegen. Timo Werner verspielte mit Leipzig die Champions League – auch, weil seine Tore fehlten. Mesut Özil und Ilkay Gündogan...ach, Sie wissen schon.
Unter den potenziellen Stammspielern gehört Reus damit zu einer seltenen Spezies. Zu jenen, die keinen Ballast aus der Saison mitbringen, die nicht mit sich selbst beschäftigt sind, sondern Lust auf die Aufgabe versprühen.
Selbst die obligatorische Verletzung, die ihn schon zwei Turniere kostete, gereicht ihm dieses Mal fast zum Vorteil. Einen Kreuzbandteilriss zog er sich vor etwas mehr als einem Jahr zu. Im Februar erst kehrte er zurück ins BVB-TEAM. Der Offensivspieler hat damit nicht die Strapazen einer langen Saison in den Knochen wie viele seiner Kollegen. „Ich hatte eine gute Vorbereitung nach der Verletzung“, sagt er. Langsam wurde er herangeführt. Zum Saisonhöhepunkt scheint er nun fit und in Form.
Thomas Müller hat gestern ebenfalls ein neues Wort erfunden. „Leichtigkeit kann man nicht trainieren“, erklärte der 28-Jährige. „Leichtigkeit ist die Beschreibung der Dinge, die geklappt haben.“Wenn er also während des Spiels laufe und lauere, der Ball aber nicht den Weg zu ihm fände, wirke das „eben nicht so leichtigkeitig“, sagte er und freute sich. Manchmal ist es eben verkruxt.
Reus saß neben Müller und wirkte fast ein wenig abwesend. Er denkt derzeit nicht so sehr über das Leichtsein nach. Vielleicht, weil er es einfach ist.
So richtig überzeugt haben mich von den großen Nationen im bisherigen Wmverlauf allenfalls die Belgier. Sie hatten jedoch mit Panama auch einen Gegner, den sie beherrschen mussten. Trotzdem zeigt es sich, dass es kaum einfache Spiele gibt. Die Kleinen haben aufgeholt, können gut verteidigen und setzen auf Standards.
Dass bisher die Hälfte aller Wm-tore nach Standards gefallen sind, ist schon extrem. Freistöße und Ecken werden immer wichtiger. In Hoffenheim haben wir extra einen Co-trainer, der für die Abläufe und Varianten zuständig ist: Wie laufen wir wann in die Räume? Wer blockt welchen Gegner ab? Wohin wird der Ball geschlagen? In zehn Fällen springt vielleicht achtmal nichts dabei heraus. Wenn aber zwei entscheidende Tore durch Standards fallen, hat es sich ja schon gelohnt. In den zwei Jahren in unserem Regionalliga-team habe ich selbst sechs Treffer erzielt – allesamt per Freistoß oder nach Ecken.
Das ist bekanntlich auch eine Stärke der Schweden mit ihren vielen großen, robusten Leuten. Ich denke trotzdem, dass die Deutschen mit Hummels, Boateng und Khedira dagegen gewappnet sind. Besser ist es natürlich, Standards zu vermeiden. Denn spielerisch besitzt unsere Mannschaft genügend Klasse, um das Spiel am Samstag zu gewinnen. Sie muss nur die nötige Gier entwickeln und die leichten Fehler abstellen.
Prinzipiell halte ich so einen Hallo-wach-effekt durch das 0:1 gegen Mexiko für nicht so schlecht. Druck hat man als Titelverteidiger ohnehin immer. Jetzt ist bei jedem der Fokus noch einmal deutlich geschärft.
Kein Ballast aus der Saison
Marco Engelhardt () aus Bad Langensalza ist aus dem Erfurter Rot-weiß-nachwuchs hervorgegangen. bestritt er drei A-länderspiele. In dieser Saison war der Verteidiger noch für Hoffenheim II in der Regionalliga Südwest am Ball.