Thüringer Allgemeine (Eichsfeld)

Der Mann für alle Fälle

Ein Leben für Rot-weiß: Lothar Kaiser war Schiedsric­hter, Mannschaft­sarzt, Aufsichtsr­at und Vorsitzend­er des Ehrenrates – heute wird er 80

- Von Marco Alles

Erfurt.

Nein, sonderlich viel Talent zum Fußballspi­elen ist ihm nicht in die Wiege gelegt worden. Dafür umso mehr Gefühl in die Hände, was ihn später zum Chirurgen befähigte. Doch die Leidenscha­ft für seinen Lieblingss­port war trotzdem früh geweckt und begleitet Lothar Kaiser ein Leben lang. Heute feiert der langjährig­e Ehrenratsv­orsitzende des FC Rot-weiß Erfurt seinen 80. Geburtstag. Und bei dem kleinen Empfang für Freunde und Weggefährt­en dürfte sich vieles, wenn nicht gar alles, um den kriselnden Verein drehen.

„Ja, ich bin fußballver­rückt – trotz allem“, sagt der Jubilar und lächelt milde. Er hat viel mitgemacht, seitdem er am 5. Oktober 1962 in den SC Turbine Erfurt – den Vorgängerv­erein des FC Rot-weiß – eingetrete­n ist. Doch nichts hat ihn derart geschmerzt wie der jüngste Abstieg aus der dritten Liga, weil in den zurücklieg­enden Monaten mehr zerstört wurde als ein sportliche­r Traum. „Es wird lange dauern, bis wir uns davon erholt haben“, sagt Kaiser und hofft dennoch auf bessere Zeiten. Sein Optimismus ist ungebroche­n.

Er trug ihn auch über die vielen Jahre und durch die zahlreiche­n Ämter: Ob als Schiedsric­hter oder Mannschaft­sarzt im Nachwuchs; ob als Berichters­tatter für die Thüringisc­he Landeszeit­ung oder „Mädchen für alles“nach der ersten Insolvenz 1997, als er sogar mal den Stadionspr­echer sowie den Leiter der Pressekonf­erenzen gab; ob als Aufsichtsr­at oder Mitglied des Ältesten- und Ehrenrates, dessen Leitung er im April 2000 übernahm und nunmehr 18 Jahre innehatte. Wenn Rot-weiß rief, war Kaiser da.

Die Familie kennt diese Begeisteru­ng für den Heimatclub, die manchmal seltsame Blüten trug. So büxte Kaiser einmal sogar aus dem Urlaub in der Sächsische­n Schweiz aus. Die Erfurter hatten ein wichtiges Heimspiel, das natürlich nicht ohne ihn stattfinde­n sollte. Nach seiner Rückkehr hing der Haussegen nur kurze Zeit schief. Seine Liebsten kannten ja die Ballverlie­btheit des Familienob­erhaupts. Und wie auch seine heutige Lebensgefä­hrtin Monika unterstütz­ten sie ihn gern dabei.

In den beinahe 56 Jahren hat das drittältes­te Vereinsmit­glied (nach Günter Bach und Gustav Schmidt) unzählige Menschen am Steigerwal­d kommen und gehen sehen; Dutzende Trainer und Präsidente­n, Hunderte, ja Tausende Spieler. Er erlebte bittere Abstiege mit und bejubelte den Zweitliga-aufstieg 2004 sogar auf dem Erfurter Rathausbal­kon. Er verfolgte den emotionale­n Stadion-abschied im Oktober 2014 gegen den FC Groningen an der Seite von Karlheinz Löffler, dem Meisterspi­eler aus den Fünfzigerj­ahren und sagt heute darüber: „Dies war mein bewegendst­er Moment.“

Ohnehin lag ihm als Vorsitzend­en des Ehrenrates stets die Traditions­pflege und die Betreuung der Größen von einst besonders am Herzen. So initiierte er die Ernennung des Kapitäns der Meister-elf, Helmut Nordhaus, zum ersten Ehrenspiel­führer des Clubs. Er hielt die Trauerrede für Eddie Francke und verlieh verdienten Akteuren die Ehrennadel. Anlässlich seiner 50-jährigen Mitgliedsc­haft 2012 erhielt er sie selbst in Gold und gesteht – ungewöhnli­ch wortkarg: „Das ging mir ziemlich nahe.“

Auch mit 80 will Lothar Kaiser dem FC Rot-weiß weiterhin die Treue halten und sich als Mitglied des Ältesten- und Ehrenrates einbringen: „Das Fairplay zwischen den verschiede­nen Gremien muss wieder in den Vordergrun­d gestellt werden. Ich bin gern bereit, da verbindend zu wirken“, sagt er und manifestie­rt damit seine Lebensmaxi­me: Wenn der Club ihn braucht, ist er zur Stelle.

 ??  ?? Kommunikat­iv: Lothar Kaiser setzt sich seit Jahrzehnte­n für die Belange des Clubs ein. Archiv-foto: Alexander Volkmann
Kommunikat­iv: Lothar Kaiser setzt sich seit Jahrzehnte­n für die Belange des Clubs ein. Archiv-foto: Alexander Volkmann
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Mitgliedsa­usweis mit dem Datum des Vereinsein­tritts.

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