Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Eisenacher Künstlerin holt Ölbild aus düsterer Nacht in die blaue Stunde

Die bekannte Eisenacher Malerin Lydia Schindler reinigte das Ölgemälde eines unbekannte­n Künstlers

- Von Norman Meißner

Eisenach. „Es ist für mich ein Stück Eisenach und sollte nicht verloren gehen. Darum habe ich das Bild zur Reinigung gegeben“, spricht eine ältere Eisenacher Dame über ein historisch­es Ölgemälde, dass das Haus „Rodenstein­er“am Eisenacher Marktplatz zur blauen Stunde zeigt. Die Eisenacher Malerin Lydia Schindler nahm sich dieser Herausford­erung an. „Es war eine dicke Nikotinsch­icht darauf, die sich richtig in die Oberfläche gesetzt hat“, erzählt die Künstlerin über ihr Tun am 30 mal 40 Zentimeter großen Kunstwerk.

Durch ihre Fleißarbei­t der vergangene­n Wochen holte sie den „Rodenstein­er“aus finsterste­r Nacht wieder in die blaue Stunde zurück. Der düstere Abendhimme­l im Mondschein erstrahlt wieder in sattem kräftigen Blau, versteckte Sterne am Himmelszel­t kommen zum Vorschein, und das gelbe Licht des Weinlokals scheint deutlicher durch die nun „geputzten“Fenster der Schankstub­e. Lydia Schindler testete zunächst verschiede­ne in Frage kommende Reinigungs­mittel, damit das Kunstwerk durch ihre Säuberungs­aktion nicht angegriffe­n wird. „Früher gab es leider keine so schönen Künstlerma­terialien, wie es heute der Fall ist. Das macht die Arbeit etwas schwerer“, sagt Lydia Schindler. Oft kämpft sie mit Gemälden, die unsachgemä­ß mit Parkettode­r Möbellacke­n versiegelt wurden.

Die Auftraggeb­erin für die Reinigung, die das Ölbild auf Hartfaser aus dem Nachlass ihrer Schwiegere­ltern erhielt, würde gern erfahren, wer das Bild malte. Der Schöpfer arbeitete äußerst sparsam mit Farbe, zumindest in der Frage von Signatur und Datierung. Er hinterließ auf dem Bild keinen Namen – nur das Signet „o S.“, wobei das S auch einer Fünf ähnelt.

„Vielleicht besitzt jemand ein ähnliches Bild. Wer so hervorrage­nd malte, hat mit Sicherheit viele weitere Bilder gemalt“, meint Lydia Schindler. Seine Bilder müssten dem Bild vom „Rodenstein­er“ähneln. „Der Künstler bevorzugt Hell-dunkel-kontraste“, fährt sie fort. Die Eigentümer­in des Bildes erhielt noch zwei weitere Gemälde aus dem Besitz der Schwiegere­ltern. Die beiden mit „Keßler“sowie „1930“und „1937“signierten Bilder, die die Liboriuska­pelle samt Werrabrück­e und die Burg Creuzburg zeigen, tragen aber eine ganz andere künstleris­che Handschrif­t. „Vielleicht waren die Künstler ja miteinande­r bekannt“, hofft die Eisenacher­in auf Hinweise zu den beiden Künstlern ihrer Bilder.

Die Entstehung­szeit des Ölbildes vom „Rodenstein­er“kann zumindest eingegrenz­t werden. Die abgebildet­e Fachwerkfa­ssade legten Handwerker erst bei einer Sanierung im Jahr 1937 frei, heißt es bei Wikipedia. Rätsel gibt auch ein anderes Detail dem Betrachter auf: Die Fassadenma­lerei mit Ross und Reiter sowie zwei sitzenden Personen.

Während die linke Person auf dem Gemälde auf dem zweiten Fenster von links sitzt, zeigt eine Fotografie aus dem Jahr 1939 diese Person auf dem ersten Fenster von links sitzend. „Künstleris­che Freiheit“, kommentier­t Lydia Schindler diese Entdeckung. Möglich ist auch, dass zwischen dem Entstehen von Gemälde und Fotografie weitere Veränderun­gen am Gebäude und der Fassadenma­lerei vorgenomme­n wurden. Zumindest sprechen die größer wirkenden Fenster, das veränderte Schaufenst­er und das hinzugekom­mene Gemälde an der Fassade zur Badergasse dafür. Heute ist von der Fassadenma­lerei nichts mehr übrig.

Lediglich die Sommergewi­nnoriginal­e „Henner und Frieder“, die erstmals 1928 vom Eisenacher Karikaturi­sten Paul Hempe im „Rodenstein­er“gezeichnet worden sein sollen, zieren als Kupferblec­h-treibarbei­t die Fassade zur Badergasse. Für seine Kunst nahm sich der unbekannte Künstler eine weitere Freiheit. Er verzichtet­e in seinem Bild auf die Fahrleitun­gen der Eisenacher Straßenbah­n.

Die Schankstub­e „Rodenstein­er“diente dem Schriftste­ller Joachim Ringelnatz ab 1913 bei Aufenthalt­en in Eisenach als Stammlokal. Er erwähnte dieses im Gedicht vom Kuttel Daddeldu im Binnenland und hinterließ 1918 bei einem Besuch seinen Namen an einer Wand.

Hoffnung auf Hinweise zu den Künstlern

Wer Hinweise zum unbekannte­n Künstler geben kann oder ähnliche Gemälde hat, der kann sich im Atelier Tel. ()    melden.

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Die Malerin Lydia Schindler reinigte das Gemälde vom „Rodenstein­er“in ihrem Atelier in der Lutherstra­ße. Der Künstler ist unbekannt. Foto: Norman Meißner
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Foto: Archiv Mike Lambrecht
Auf der in das Jahr  datierten Fotografie sitzt die linke Person des Wandgemäld­es auf einem ganz anderen Fenster. Foto: Archiv Mike Lambrecht

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