Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Der nützliche Rat der Expertin: „Üben Sie vor dem Spiegel, böse zu gucken“

I  W Erika Hermanns gibt Tipps, wie sich vor allem Senioren gegen das dreiste Auftreten von Betrügern behaupten können

- Von Birgit Schellbach

Eisenach. Trickbetrü­ger haben jüngst versucht, ältere Bewohner am Eisenacher Siebenborn um Geld und Wertsachen zu bringen. Erika Hermanns, pensionier­te Polizeibea­mtin und ehrenamtli­che Seniorenbe­auftragte der Stadt, klärt auf und gibt Tipps zum Schutz.

Frau Hermanns, warum suchen sich die Trickbetrü­ger vor allem ältere Menschen als Opfer aus?

Im Alter wirst du doch ein bisschen unsicher. Du stehst nicht mehr so mit beiden Beinen im Leben, hinterfrag­st weniger. Ältere Menschen sind auch schneller einzuschüc­htern. Außerdem nutzen Betrüger oft die Hilfsberei­tschaft der Senioren aus.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ja, ein Mitglied unseres Seniorenbe­irats war betroffen. Er bekam einen Anruf aus dem Ruhrgebiet. Die Stimme hörte sich an wie die eines Verwandten, den er lange nicht gesehen hatte. Daher freute er sich auf ein Wiedersehe­n. Der Verwandte wollte zu Besuch kommen, weil er in der Nähe sei. Als der Termin ran war, folgte ein Anruf: Er sei gerade in einen Unfall in der Mühlhäuser Straße verwickelt und benötige dringend 2000 Euro. Die Schilderun­g war so glaubhaft, dass sich das Mitglied unseres Beirats mit dem Geld vor Ort begeben hat. Es war nichts von einem Unfall zu sehen. Aber in dem Moment kam tatsächlic­h ein Streifenwa­gen der Polizei vorbei. Das war Glück, denn angesichts der Beamten näherte sich letztlich niemand, um das Geld zu verlangen. So blieb es beim versuchten Trickbetru­g.

Aber das zeigt, dass jeder Opfer eines solchen Betrugs werden kann.

Das kann wirklich jedem passieren, keiner ist ausgenomme­n. Weil die Verpackung immer raffiniert­er wird. Aber der Inhalt bleibt derselbe. Mein Rat ist: Wenn es um Geld geht, müssen alle Alarmglock­en schrillen.

Wie können sich Senioren schützen?

Gibt sich jemand als Verwandter, Enkel oder Neffe aus, sollte man den Betreffend­en anrufen und sich persönlich mit ihm verständig­en. Niemals sollte man Geld an Fremde aushändige­n, auch wenn sich diese als Bekannte des Enkels oder Neffen ausgeben. Fremden sollte man keine Auskunft über Bewohner im Haus geben, auch wenn man hilfsberei­t sein möchte. Stattdesse­n an den Betreffend­en selber verweisen.

Argwohn ist auch angebracht, wenn sich jemand über die Schließanl­age meldet und Einlass ins Haus begehrt. Bitte nicht auf den Türöffner drücken, sondern sagen: Direkt bei Müller, Meier oder Schulze klingeln, wenn derjenige dorthin will. Ist die Tür einmal offen, kann an der Mechanik manipulier­t werden, so dass sich die Tür nicht mehr automatisc­h schließen lässt. In der Nacht haben dann Diebe ein leichtes Spiel.

Wenn Fremde bereits vor der Wohnungstü­r stehen – wie sollte man sich verhalten?

Auf keinen Fall sollte man Fremde in die Wohnung lassen. Es gibt Ketten, die es ermögliche­n, dass die Tür nur ein Stück geöffnet wird. Sollte eine solche Sicherung nicht vorhanden sein, und die Betreffend­en stellen bereits einen Fuß in die Tür: Rufen Sie laut um Hilfe. Oder tun Sie so, als ob noch jemand in der Nähe ist, auch wenn Sie allein leben. Brüllen sie nach hinten in die Wohnung: Erwin, komm mal her, hier stimmt was nicht.

Aber wenn Handwerker Einlass begehren?

Schickt der Vermieter Handwerker, muss er seine Mieter rechtzeiti­g vorher informiere­n. Geschieht das nicht, sollte man argwöhnisc­h sein, auch wenn die Handwerker eine Telefonnum­mer angeben. Handelt es sich um Betrüger, sitzt am Telefon garantiert jemand, der ihnen die Richtigkei­t bestätigt. Suchen Sie die tatsächlic­he Nummer ihres Vermieters oder Hausverwal­ters heraus und erkundigen Sie sich, ob Arbeiten anstehen.

Kann man energische­s Auftreten trainieren?

Natürlich. Ich rate den Senioren: Stellen Sie sich vor den Spiegel und üben Sie, böse zu gucken oder auch mal die Stimme zu erheben. Wenn ich das in meinen Vorträgen sage, lachen viele. Aber es kann einem im Ernstfall wirklich helfen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Welche Erfahrung haben Sie persönlich gemacht?

An einem Samstagabe­nd standen vor meiner Tür eine Frau und ein Mann, die sich als Beschäftig­te der Telekom ausgegeben haben. Sie hatten sogar Dienstklei­dung an, sagten, sie machen jetzt auch in Fernsehen und wollen gern meine Rechnung sehen. Ich äußerte energisch meine Verwunderu­ng, weil ich wusste, dass die Telekom keine Geschäfte an der Haustür abwickelt. Dennoch bat ich die beiden, kurz zu warten und lehnte meine Tür an. Derweil rief ich meine früheren Kollegen bei der Polizei an. Doch die Zwei hatten sich bereits verdrückt. Am nächsten Tag sind sie dann erwischt worden.

Viele scheuen einen Anruf oder eine Anzeige bei der Polizei. Was raten Sie?

Die Polizei ist in dem Fall wirklich Freund und Helfer. Wer nicht unbedingt bis zur Polizeiins­pektion in die Ernst-thälmann-straße gehen will, kann die Kontaktber­eichsbeamt­in für die Innenstadt aufsuchen. Sie hat Sprechstun­den in der Stadtverwa­ltung am Markt 2.

Welche Maschen der Betrüger sind Ihnen noch bekannt? Plötzlich gewinnt man etwas, obwohl man gar nicht an einem Glücksspie­l oder einer Lotterie teilgenomm­en hat. Meist wird eine Gebühr verlangt, um an den vermeintli­chen Gewinn zu kommen. Zahlen Sie nicht und nenne Sie keine Kontonumme­r. Oder man wird per Telefon zu etwas befragt und antwortet auf eine Frage mit: Ja. Dann soll der Mitschnitt dazu herhalten, dass man angeblich seine Zustimmung zu irgendwelc­hen Verträgen gegeben hat. Das dient alles der Einschücht­erung. Vertragsab­schlüsse bedürfen in der Regel der Schriftfor­m. Und auch da gilt: Nichts leichtfert­ig unterschre­iben.

Ich kann mich nur wiederhole­n: Erstatten Sie Anzeige, damit die Polizei ermitteln kann.

Nächster Vortrag von Erika Hermanns über Trickbetru­g am . Mai,  bis  Uhr, in der Stadtbibli­othek Eisenach.

 ??  ?? Erika Hermanns hilft Senioren in verschiede­nen Lebenssitu­ationen. Als frühere Polizistin gibt sie auch Tipps, wie man sich gegen Betrug schützen kann. Foto: Birgit Schellbach
Erika Hermanns hilft Senioren in verschiede­nen Lebenssitu­ationen. Als frühere Polizistin gibt sie auch Tipps, wie man sich gegen Betrug schützen kann. Foto: Birgit Schellbach

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