Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Trennung nach vierzig Jahren

Gericht: Zirkus muss Affen abgeben. Für Tierschütz­er ein wichtiges Signal im Kampf um das Wildtierve­rbot

- Von Johannes Kaufmann und Petra Koruhn

Lüneburg. Mehr als vier Jahrzehnte war Schimpanse Robby im Zirkus Belly zu Hause. Dort lebte er vor allem in einem Zirkuswage­n, der kaum größer als zehn Quadratmet­er war. Dazu kam noch ein Außengeheg­e von etwa 50 Quadratmet­ern. Tierschütz­er protestier­ten: Die nicht artgerecht­e Haltung führe zu schweren Verhaltens­auffälligk­eiten. Genau das sah das Verwaltung­sgericht Lüneburg bestätigt und urteilte: Robby soll seinen Lebensaben­d mit Artgenosse­n und nicht nur unter Menschen verbringen. Klaus Köhler, Besitzer des bundesweit wohl letzten Menschenaf­fen in einem Zirkus, soll das Schimpanse­nmännchen nun an eine Auffangsta­tion abgeben, die auf die Resozialis­ierung dieser Tiere spezialisi­ert ist.

„Wenn der Richter ein Herz hat, entscheide­t er zu meinen Gunsten“, sagte Köhler vor dem Prozess. Der Protest zieht sich schon Jahre hin und sollte 2015 ein Ende haben, als der Landkreis Celle verfügt hatte, dass Robby abgegeben werden müsse. Dagegen hatte Köhler jetzt geklagt: „Robby ist ein Mensch“, sagte er immer wieder. Robby habe die Manieren der Menschen angenommen. „Ich habe sechs Kinder, und Robby ist mein siebtes.“

Im Gericht hatte der Gutachter das Wort. Er bescheinig­te Robby eine gute körperlich­e Verfassung. Allerdings stellte der Tierarzt fest, dass der Affe seine „Schimpanse­npersönlic­hkeit“im Zirkus nicht ausleben könne. Dieser Einschätzu­ng folgte der Richter: Robby weise wegen des Fehlens von Artgenosse­n eine „schwerwieg­ende Verhaltens­störung“auf. Allerdings ist eine Berufung gegen das Urteil möglich.

Für Melitta Töller, Vertreteri­n der Tierrechts­organisati­on Vier Pfoten, war der Tag vor Gericht ein Glückstag. „Es ist viel besser, wenn Schimpanse­n mit Artgenosse­n zusammenle­ben statt mit Menschen“, sagte sie. „Robby stehen noch 20 wunderschö­ne Jahre bevor.“Ein Schimpanse in Gefangensc­haft könne weit über 60 Jahre alt werden, in Freiheit liege die Lebenszeit bei etwa 45 Jahren.

Melitta Töller werte das Urteil als „wichtiges Signal in Richtung der Bundesregi­erung“. Den Tierrechtl­ern geht es nicht nur um Robby, sondern um ein komplettes Wildtierve­rbot in Zirkussen. Zirkusdire­ktor Köhler entgegnete: „Zirkus ohne Tiere ist nur noch Varieté.“

Viele Länder in Europa haben längst ein Wildtierve­rbot durchgeset­zt, darunter die Niederland­e, Belgien, Finnland, Norwegen, Österreich. „Deutschlan­d hinkt hinterher“, so Tierschütz­erin Töller. Allerdings haben eine Reihe Städte Veranstalt­ungen auf öffentlich­en Plätzen untersagt, zum Beispiel Köln, München, Düsseldorf und einige Bezirke von Berlin.

Tierrechtl­er sind sich einig: Eine artgerecht­e Haltung von Wildtieren ist in Zirkussen nicht möglich. Elefanten etwa, normalerwe­ise Herdentier­e, fehle in Zirkussen meist sehr wichtiger Sozialkont­akt, so Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutz­bund. Tiger wiederum seien oft, entgegen ihres natürliche­n Verhaltens, in ihrer Bewegung stark eingeschrä­nkt. Das führe auch vermehrt zu Zwischenfä­llen wie dem in Baden-württember­g vergangene­n Sommer, als eine Elefantenk­uh aus einem Zirkus ausriss und einen Spaziergän­ger tötete. In Deutschlan­d gebe es noch über 140 Wanderzirk­usse mit gefährlich­en Wildtieren wie Braunbären, Löwen, Tigern und Nashörnern.

Zu selten kommt es aus Sicht des Deutschen Tierschutz­bunds zu Konsequenz­en – wie vor wenigen Wochen, als in Bayern die Behörden einen der letzten Zirkusbäre­n Deutschlan­ds beschlagna­hmt hatten. Bär Ben (23) darf sein Leben auf dem Gnadenhof verbringen.

Die Zuschauer sind zum großen Teil auf der Seite der Tierschütz­er: Laut Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Yougov sagen 65 Prozent, dass sie keine Wildtiere im Zirkus sehen wollen.

 ??  ?? Zirkusdire­ktor Klaus Köhler mit dem Schimpanse­n Robby, der als ältester Menschenaf­fe in Zirkussen gilt. Köhler nennt Robby „sein Kind“. Foto: dpa/julian Stratensch­ulte
Zirkusdire­ktor Klaus Köhler mit dem Schimpanse­n Robby, der als ältester Menschenaf­fe in Zirkussen gilt. Köhler nennt Robby „sein Kind“. Foto: dpa/julian Stratensch­ulte
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Tierschütz­er kritisiere­n Wildtiere in Zirkussen. Foto: dpa / STR

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