Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Jenoptik-chef Mertin: Man geht, wenn es gut läuft

Das Amt als Vorstandsv­orsitzende­r des Thüringer Vorzeigeun­ternehmens übergibt er an Stefan Traeger

- Von Simone Rothe

Jena. Bei Ostdeutsch­lands größtem Technologi­ekonzern Jenoptik vollzieht sich ein Führungswe­chsel bevor. Michael Mertin übergibt heute nach fast zehn Jahren an der Konzernspi­tze das Amt an seinen Nachfolger Stefan Traeger – noch vor seinem offizielle­n Vertragsen­de Ende Juni. Im Interview blickt Mertin auf Erfolge, aber auch Tiefpunkte seiner Zeit als Vorstandsc­hef des Jenaer Tecdax-unternehme­ns zurück. Er sagt seine Meinung zum Staat als Aktionär und blickt in die Jenoptik-zukunft.

Warum gehen Sie, wo Jenoptik laut Geschäftsb­ilanz doch so gut dasteht wie lange nicht? Und warum schon Anfang Mai? Ihr Vertrag läuft doch bis Ende Juni.

Ich gehe, weil es gut läuft. Das ist doch ein guter Zeitpunkt! Wir haben in den letzten Jahren erreicht, was ich in den kühnsten Visionen mit dem inzwischen verstorben­en ersten Jenoptikch­ef Lothar Späth diskutiert habe. Ich habe nach zehn Jahren als Vorstandsc­hef meine Mission erfüllt. Und einen Zehnjahres-rhythmus hatte ich auch schon früher in meinem Berufslebe­n. Mein Nachfolger Stefan Traeger übernimmt schon jetzt, damit er Zeit zur Einarbeitu­ng hat. Er stellt sich bereits der Aktionärsv­ersammlung Anfang Juni als Vorstandsc­hef.

Wo zieht es den gebürtigen Kölner hin?

Ich bleibe auf jeden Fall in Thüringen - wohnen. Wir haben in Jena ein schönes Haus gebaut. Der Rest wird sich ergeben. Ich gehe ja nicht weg, weil in Jena alles schlecht ist und anderswo die Wiesen grüner sind. Ich kann ein saniertes Unternehme­n übergeben. Jetzt orientiere ich mich neu.

Was steht nach zehn Jahren an der Jenoptik-spitze auf Ihrer Haben-seite?

Jenoptik war 2006 ein schwierige­r Fall, als ich dazu gestoßen bin: Hochversch­uldet mit einer kaum zu übersehend­en Zahl an Tochterfir­men - etwa 60 bis 70 operative Einheiten. Es gab kaum Geschäft in Asien und nur wenig in den USA. Jetzt ist Jenoptik eine starke Marke, netto schuldenfr­ei und auch 2017 wird das Unternehme­n wachsen. Wir haben ein Auftragspo­lster, wie wir es noch nie hatten.

Und die dunkle Seite der Medaille?

Dass es zehn Jahre gedauert hat, bis wir so dastehen, hätte ich nicht gedacht. Ich habe mir das viel schneller vorgestell­t. Doch dann kam 2008 die Finanz- und Wirtschaft­skrise. Dass ich einmal vor dem Bürgschaft­sausschuss des Bundes stehen würde, weil die Banken 2009 nicht das richtige Vertrauen in Jenoptik hatten, war der Tiefpunkt meiner Jenoptik-geschichte. Zur dunklen Seite gehören die Restruktur­ierungen, die auch Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d gekostet haben.

Jenoptik war vor dem Börsengang ein Staatsunte­rnehmen. Nun ist das Land Thüringen wieder Aktionär. Ist das ein Problem?

Ja, Thüringen ist Aktionär. Und mit elf Prozent der größte Einzelakti­onär, nachdem die Familie Humer aus Österreich ausgestieg­en ist. Es ist immer gut, einen Ankeraktio­när zu haben. Also, kein Problem. Vorstand und Aufsichtsr­at, in dem das Land mit Aufbaubank­chef Matthias Wierlacher den Vorsitzend­en stellt, sind dem Unternehme­nswohl verpflicht­et. Und Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) hat sich immer eindeutig für Jenoptik positionie­rt - auch, wenn das nicht immer der Linie seiner Partei entspricht.

Das Rüstungsge­schäft von Jenoptik, das etwa ein Drittel am Konzernums­atz von 685 Millionen Euro ausmacht, wird nicht nur von Linken kritisch gesehen.

Wir arbeiten im Konsens mit dem Grundgeset­z und der deutschen Gesetzgebu­ng; wir arbeiten auch für die Verteidigu­ng unseres Landes. Da kann man nicht sagen, das ist umstritten.

Wo sehen Sie Jenoptik in fünf oder zehn Jahren?

Jenoptik hat jetzt das Potenzial, mit Zukäufen zu einem echten Global Player zu werden – und einem Wachstum in Richtung der Umsatz-milliarde. Der Boom der High-tech-branchen wird sich nicht nur in Europa und den USA, sondern vor allem in Asien abspielen. Jenoptik wird im Ausland wesentlich stärker wachsen als in Deutschlan­d. Das gilt auch für die Arbeitsplä­tze.

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Seit zehn Jahren an der Spitze des Jenoptik-konzerns: Michael Mertin. Nun vollzieht sich an der Unternehme­nsspitze ein Wechsel. Foto: Tino Zippel

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