Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Was darf‘s sein, junger Mann?

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Hanno Müller über freundlich­e und unfreundli­che Menschen

Was soll man denn davon halten: Da fragt die Verkäuferi­n am Fleischsta­nd über den Tresen den Kunden „Was darf‘s sein, junger Mann?“– und prompt geht ein Raunen um unter den Miteinkäuf­ern. Nun könnte man ja denken, dass sich möglicherw­eise mehrere der Anwesenden angesproch­en fühlten und deshalb Grund zu verstohlen­er Heiterkeit bestand.

Aber weit gefehlt. Es war, wie sich auf beherzte Nachfrage herausstel­lte, die Anrede als „junge Mann“, welche die Reaktionen auslöste. Keine Ahnung, woran es lag. An den ergrauten Bartstoppe­ln? Zu vielen Falten? Dem Gesamthabi­tus des Mittfünzig­ers? Beim morgentlic­hen Eigenblick in den Spiegel pflegt man ja gewöhnlich diverse Alltags- und Altersspur­en geflissent­lich zu übersehen.

Aber jetzt mal im Ernst: Was hätte die freundlich­e Frau denn sonst sagen sollen? „Gnädiger Herr, was ist ihr Begehr“vielleicht ? Oder kurz und knackig: „Na Alter, was willste?“Ein freundlich­es „junger Mann“sollte doch nun wirklich zeitlos sein und bleiben dürfen.

Zumal in Zeiten, da höfliche Standards aus der Mode geraten zu scheinen. Manche Nachbarn, die man nahezu täglich sieht, ignorieren einen grußlos.

Der Makler, dem man sagt, dass die angebotene Wohnung leider zu dunkel ist, verliert gleich mal völlig die Contenance. Ganz zu schweigen vom allzu rauen Umgang unter Verkehrste­ilnehmern.

Da lobt man sich doch die Fachfrau fürs Kundenglüc­k, die noch weiß, wie‘s geht. Der „junge Mann“fühlt sich gebauchpin­selt und kommt gern wieder.

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