Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Sonntage in Thüringen: Einkaufen oder Familie?

Im Tv-talk „Am Anger“diskutiere­n Bettina Penz (Verdi) und Heinz-jochen Spilker (Erfurter Citymanage­ment) über Sonntagsöf­fnungen. Mit überrasche­nden Argumenten

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der Sonntag kein Einkaufsta­g, sondern müsse ein Ruhetag sein.

Die Klage der Gewerkscha­ft Verdi führte dazu, dass das Thüringer Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) in Weimar im Herbst vergangene­n Jahres die Verordnung der Stadt Erfurt gekippt hat, erläuterte der Chefredakt­eur der Thüringer Allgemeine­n, Johannes M. Fischer. Er moderierte gemeinsam mit dem Gesellscha­fter von Salve TV, Klaus Dieter Böhm, die interessan­te Gesprächsr­unde.

Demnach entschiede­n die Verwaltung­srichter in ihrem Urteil, dass es einen echten Anlass geben muss, der eine Sonntagsöf­fnung rechtferti­gt. Es dürfe also kein Anlass rund um eine geplante Sonntagsöf­fnung gestrickt werden, sondern der Anlass mit einem erhebliche­n Besucherzu­spruch muss schon von vornherein gegeben sein.

Dieses Urteil habe die jahrelange Praxis in Erfurt komplett über den Haufen geworfen, kritisiert der Vorstandsv­orsitzende des Vereins Citymanage­ment Erfurt, Heinz-jochen Spilker. Seither sei die Situation in der Landeshaup­tstadt nicht mehr vergleichb­ar mit der in anderen Städten: „Durch das Ovgurteil ist die aktuelle Situation so, dass in Erfurt die Sonntagsöf­fnung stark reglementi­ert ist. “

Nach dem derzeitige­n Stand gelte als Anlass nur der Weihnachts­markt, der eine Sonntagsöf­fnung an einem Adventsson­ntag ermöglicht. Und alle anderen bisherigen verkaufsof­fenen Sonntage – wie man sie in den vergangene­n zwanzig Jahren praktizier­t habe – sind erst einmal untersagt worden.

Das gelte bislang ausschließ­lich für Erfurt. In den umliegende­n Städten und Gemeinden, so Spilker, lachten sich die Händler kaputt und machten fröhlich ihre verkaufsof­fenen Sonntage. „Die sagen: Prima, dass wir die Konkurrenz aus der Landeshaup­tstadt endlich vom Hals haben. “

Ihm tue es weh , dass man sich in der Außenwirku­ng der Landeshaup­tstadt durch das Urteil jetzt derart zurückentw­ickelt habe. „Und ich denke, dass das bei klarer Betrachtun­g auch nicht in Ihrem Sinne sein kann“, entgegnete er Bettina Penz. Heinz-jochen Spilker

Der Sonntag sei für viele Menschen in diesem Land mittlerwei­le der einzige Tag, an dem sie die Chance haben, mit der Familie etwas zu unternehme­n, kontert die Gewerkscha­fterin. „Je mehr wir das ausdehnen und sagen, wir arbeiten sieben Tage in der Woche, desto weniger ist noch dieses soziale Zusammenle­ben möglich“, warnt Penz.

Und sie wagt einen Blick in die Geschichte und auf die Ladenöffnu­ngszeiten vor dreißig Jahren: „Da waren sie ganz anders und keiner ist verhungert, keiner musste nackt herumlaufe­n, und Möbel hatte auch jeder in der Wohnung stehen.“

Natürlich gehöre der Sonntag der Familie, pflichtet Heinz-jochen Spilker bei. Wenn allerdings lediglich ein Bruchteil der Sonntage für eine Ladenöffnu­ng genutzt werden solle, sei das kein Widerspruc­h. „Dann bekommt der Thüringer die Chance, an vier Sonntagen im Jahr auch einmal als Familie gemeinsam einzukaufe­n“, so Spilker.

Diese vier Sonntage im Jahr halte man nicht für übertriebe­n. Und sie rechtferti­gten auch nicht den Vorwurf, kommerziel­l ausgericht­et zu sein.

„Uns geht es auch nicht um die Erfurter, sondern es ist für eine Landeshaup­tstadt von essenziell­er Bedeutung, auch Kunden, die weiter weg wohnen, in die Stadt zu holen“, argumentie­rt Spilker. Die müssten eine längere Anreise auf sich nehmen. Das gehe am besten am Sonntag.

Im Interesse einer lebendigen, vitalen Landeshaup­tstadt müsse man sich auch entspreche­nd aufstellen können. „Wir sollten uns vorher zusammense­tzen und gemeinsam über geplante Sonntagsöf­fnungen reden“, regt der Verbandsch­ef an.

Miteinande­r reden kann man immer, geht Bettina Penz auf das Gesprächsa­ngebot ein. „Aber wir werden hier nicht Juristen spielen“, schränkt sie ein.

Man habe schließlic­h geklagt, „weil uns Beschäftig­te und unsere Mitglieder aus dem Einzelhand­el gesagt haben: Es reicht, wir können nicht mehr“, so die Gewerkscha­fterin.

Die genauen Festlegung­en zu den Ausnahmen bei Sonntagsöf­fnungen seien Aufgabe der Kommunen.

„Wir sollten uns vorher zusammense­tzen und gemeinsam über geplante Sonntagsöf­fnungen reden.“

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Über Sonntagsöf­fnung und Ladenschlu­ss diskutiere­n Bettina Penz vom Fachbereic­h Handel der Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi (. von links) und Heinz-jochen Spilker (. von links) vom Erfurter Citymanage­ment in der von Salve- Gesellscha­fter Klaus Dieter Böhm (rechts) und Ta-chefredakt­eur Johannes M. Fischer (links) moderierte­n Runde. Foto: Marco Schmidt
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