Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Intershop sucht ein Erfolgsrez­ept

Der Jenaer E-commerce-pionier setzt auf den Großhandel und verstärkt Marketing. Viele Aktionäre bleiben skeptisch

- Von Florian Girwert

Jena. Intershop-aktionäre haben auch weiterhin wenig zu lachen – wenigstens finanziell. Das wurde gestern Vormittag auf der Hauptversa­mmlung des Software-unternehme­ns in der Jenaer Sparkassen-arena deutlich. Vorstandsc­hef Jochen Wiechen und sein Vorstandsk­ollegen Axel Köhler streuten sich reichlich Asche aufs Haupt, sehen sich jedoch nach einem schwierige­n Jahr 2016 wieder in ruhigerem Fahrwasser. „Der Schwung am Jahresende hat als Ausgleich für das schwache erste Quartal nicht gereicht“, so Wiechen. So waren es am Ende 34,2 Millionen Euro Jahresumsa­tz, 20 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Verlust betrug etwa 3 Millionen Euro.

Das schob er vor allem auf zu geringe Marketing-ausgaben. „Wir hatten auf dem Markt ein Sichtbarke­itsproblem“, räumte er ein. Als Reaktion hat man nun ein Marketing-programm aufgelegt, das geradezu für Sichtbarke­it steht: Lighthouse 2020. Zu Deutsch steht das für Leuchtturm 2020 und soll gegensteue­rn. Im höchsten Gebäude Thüringens sitzt man ja bereits. Zudem hat man im Vorstand ausgemacht, sich künftig stärker auf den Großhandel zu konzentrie­ren. Überall mitzumisch­en sei keine Lösung. Stattdesse­n hat man sich das Marktsegme­nt ausgesucht, um in Deutschlan­d und Europa vorn mitzuspiel­en. „Das soll der Turnaround für Intershop sein“, so Wiechen und meint einen Wendepunkt. Das erste Quartal sei bereits besser als erwartet ausgefalle­n: 9,1 Millionen Euro Umsatz und ein kleines Plus unterm Strich.

Um das Ziel zu erreichen und in der Nische zum Platzhirsc­h zu werden, hat man Verwaltung­skosten und -personal abgebaut und im Marketing aufgebaut, erläutert der Vorstandsc­hef. 87 Prozent der Kunden des Unternehme­ns hätten in einer Befragung angegeben, sie hätten wegen der digitalen Transforma­tion der Wirtschaft ihr Geschäftsm­odell anpassen oder rundheraus ändern müssen. Hier sehen sich die Jenaer, einst Pioniere beim Internet-handel, auch als Berater für all jene, die sich damit schwer tun. Damit soll am Jahresende ein ausgeglich­enes Ergebnis stehen und ein höherer Umsatz als 2016. Den Software-riesen Microsoft hat man seit einiger Zeit als Partner in der deutschspr­achigen Region und hofft, mit dessen Hilfe neue Kunden zu gewinnen. Die Zahl der Kontakte speziell im Großhandel­sbereich, so führte Vorstand Axel Köhler aus, sei in den vergangene­n Monaten massiv angestiege­n.

Nicht allen Aktionären waren diese Ausführung­en ausreichen­d – zu oft hat man offenbar in den vergangene­n Jahren gehört, man sei nach unruhigen Zeiten wieder auf Kurs. Vielmehr sieht mancher Aktionär das Lighthouse-programm als letzte Möglichkei­t, auf einem schwierige­n, aber stark wachsenden Markt noch Fuß zu fassen. „Das ist der letzte Schuss, den das Unternehme­n hat“. findet einer. Auch dass sich der Aktienkurs gerade in den vergangene­n Jahren immer schwächer entwickelt hat, kommt nicht gut an, zumal eine Dividende bisher nicht in Reichweite ist. Hoffnung macht allerdings der neue Großaktion­är Shareholde­r Value Management, der etwa ein Viertel der Aktien hält. Dass er die Entwicklun­g der Firma ähnlich lähmt wie der Vorbesitze­r Ebay, glauben derzeit weder Aufsichtsr­at noch Vorstand.

Vorstand Köhler versichert derweil, allein das Vordringen Amazons in den Großhandel bringe eine erhöhte Nachfrage nach den Leistungen des Jenaer Unternehme­ns und damit über die kommenden Jahre verbessert­e Absatzmögl­ichkeiten für Software und Beratung.

Die Marktmacht des Us-riesen im Endkundenm­arkt beeindruck­t – und man fürchtet ein Vordringen in den Großhandel. vor allem dann, wenn über die Mechanisme­n von Industrie 4.0 immer häufiger Maschinen in Unternehme­n selbststän­dig kommunizie­ren und manche Bestellvor­gänge übernehmen.

Es besteht Hoffnung auf steigende Nachfrage

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Die Hauptversa­mmlung der Intershop Communicat­ions AG hat in diesem Jahr in der Sparkassen-arena in Jena stattgefun­den: Die Vorstände Jochen Wiechen (links) und Axel Köhler konnten für das vergangene Jahr nur wenig Gutes berichten. Der Jahresauft­akt...

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