Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Intershop sucht ein Erfolgsrezept
Der Jenaer E-commerce-pionier setzt auf den Großhandel und verstärkt Marketing. Viele Aktionäre bleiben skeptisch
Jena. Intershop-aktionäre haben auch weiterhin wenig zu lachen – wenigstens finanziell. Das wurde gestern Vormittag auf der Hauptversammlung des Software-unternehmens in der Jenaer Sparkassen-arena deutlich. Vorstandschef Jochen Wiechen und sein Vorstandskollegen Axel Köhler streuten sich reichlich Asche aufs Haupt, sehen sich jedoch nach einem schwierigen Jahr 2016 wieder in ruhigerem Fahrwasser. „Der Schwung am Jahresende hat als Ausgleich für das schwache erste Quartal nicht gereicht“, so Wiechen. So waren es am Ende 34,2 Millionen Euro Jahresumsatz, 20 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Verlust betrug etwa 3 Millionen Euro.
Das schob er vor allem auf zu geringe Marketing-ausgaben. „Wir hatten auf dem Markt ein Sichtbarkeitsproblem“, räumte er ein. Als Reaktion hat man nun ein Marketing-programm aufgelegt, das geradezu für Sichtbarkeit steht: Lighthouse 2020. Zu Deutsch steht das für Leuchtturm 2020 und soll gegensteuern. Im höchsten Gebäude Thüringens sitzt man ja bereits. Zudem hat man im Vorstand ausgemacht, sich künftig stärker auf den Großhandel zu konzentrieren. Überall mitzumischen sei keine Lösung. Stattdessen hat man sich das Marktsegment ausgesucht, um in Deutschland und Europa vorn mitzuspielen. „Das soll der Turnaround für Intershop sein“, so Wiechen und meint einen Wendepunkt. Das erste Quartal sei bereits besser als erwartet ausgefallen: 9,1 Millionen Euro Umsatz und ein kleines Plus unterm Strich.
Um das Ziel zu erreichen und in der Nische zum Platzhirsch zu werden, hat man Verwaltungskosten und -personal abgebaut und im Marketing aufgebaut, erläutert der Vorstandschef. 87 Prozent der Kunden des Unternehmens hätten in einer Befragung angegeben, sie hätten wegen der digitalen Transformation der Wirtschaft ihr Geschäftsmodell anpassen oder rundheraus ändern müssen. Hier sehen sich die Jenaer, einst Pioniere beim Internet-handel, auch als Berater für all jene, die sich damit schwer tun. Damit soll am Jahresende ein ausgeglichenes Ergebnis stehen und ein höherer Umsatz als 2016. Den Software-riesen Microsoft hat man seit einiger Zeit als Partner in der deutschsprachigen Region und hofft, mit dessen Hilfe neue Kunden zu gewinnen. Die Zahl der Kontakte speziell im Großhandelsbereich, so führte Vorstand Axel Köhler aus, sei in den vergangenen Monaten massiv angestiegen.
Nicht allen Aktionären waren diese Ausführungen ausreichend – zu oft hat man offenbar in den vergangenen Jahren gehört, man sei nach unruhigen Zeiten wieder auf Kurs. Vielmehr sieht mancher Aktionär das Lighthouse-programm als letzte Möglichkeit, auf einem schwierigen, aber stark wachsenden Markt noch Fuß zu fassen. „Das ist der letzte Schuss, den das Unternehmen hat“. findet einer. Auch dass sich der Aktienkurs gerade in den vergangenen Jahren immer schwächer entwickelt hat, kommt nicht gut an, zumal eine Dividende bisher nicht in Reichweite ist. Hoffnung macht allerdings der neue Großaktionär Shareholder Value Management, der etwa ein Viertel der Aktien hält. Dass er die Entwicklung der Firma ähnlich lähmt wie der Vorbesitzer Ebay, glauben derzeit weder Aufsichtsrat noch Vorstand.
Vorstand Köhler versichert derweil, allein das Vordringen Amazons in den Großhandel bringe eine erhöhte Nachfrage nach den Leistungen des Jenaer Unternehmens und damit über die kommenden Jahre verbesserte Absatzmöglichkeiten für Software und Beratung.
Die Marktmacht des Us-riesen im Endkundenmarkt beeindruckt – und man fürchtet ein Vordringen in den Großhandel. vor allem dann, wenn über die Mechanismen von Industrie 4.0 immer häufiger Maschinen in Unternehmen selbstständig kommunizieren und manche Bestellvorgänge übernehmen.
Es besteht Hoffnung auf steigende Nachfrage