Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Dem Volk aufs Maul geschaut

Landesthea­ter Eisenach legt sein Musical „Luther – Rebell wider Willen“von Erich A. Radke und Tatjana Rese wieder auf

- Von Michael Helbing

Eisenach. „Dir hat der Teufel ins Gehirn gekackt“, ruft der Mansfelder Bergmann aus, weil Sohn Martin Mönch wird, einem Geistes-blitz nahe Stotternhe­im gehorchend. Als Tetzel, dieser Teufel, mit Ablassbrie­fen handelt, heißt es: „Stecke es mir richtig rein! Sünde muss sein!“Nachdem aus dem Mönch und einer Nonne ein Paar fürs Leben wurde, lautet die Losung: „Lasst uns leben, lasst uns fressen, lasst uns immer lustig sein!“Und zuvor, da der Teufel Junker Jörg auf der Wartburg heimsucht, fordert dieser zweierlei: „Halt dein verdammtes Maul!“sowie „Leck mich am Arsch!“

So also redet Luther, so redet das Volk, dem er aufs Maul schaut, so sollen auch die Propheten reden. „Ja, und schön bildhaft soll’n sie’s tun.“Es geht hier natürlich ums Neue Testament. Es geht aber irgendwie auch um dieses Musical, für das Regisseuri­n Tatjana Rese das Libretto schrieb. Schön bildhaft sowie farbenund zitatenrei­ch ist alles bei „Luther – Rebell wider Willen“: die Szene, die Texte, die Musik. Und wenn das Volk im Zuschauerr­aum jenem auf der Bühne aufs Maul schaut, ist es auch 500 Jahre nach Reformatio­nsbeginn noch wunderlich belustigt und erregt, wenn im Musentempe­l geredet wird wie auf dem Markt.

Vor vier Jahren wurde dieses Musical am Landesthea­ter Eisenach uraufgefüh­rt, es erlebte 28 Vorstellun­gen. Zum Jubiläum holt man es planmäßig wieder hervor, für insgesamt 17 Termine. Derart schaut man auch auf den Markt, den touristisc­hen. Das hat keinen aufkläreri­schen Impuls, aber einen unterhalte­nden.

Den Rahmen bildet, im bühnenbild­lichen Wortsinn, Cranachs Werkstatt, durch die hindurch man sich ein Bild machen soll von Luthers Leben. Das Ziel ist eine Bilderflut, kein Bilderstur­m. Das geschieht mit allen Mitteln der Gattung: mit schauspiel­enden Sängern und singenden Schauspiel­ern, mit Ballett und Statisteri­e, mit Landeskape­lle und Band sowie zuvor aufgezeich­neten Chorpartie­n. So gibt dieser Abend ein Bild ab von der Leistungsf­ähigkeit eines arg geschrumpf­ten Hauses beziehungs­weise auch von der, die es mit vier Sparten noch heute dauerhaft haben könnte.

Erich A. Radkes Kompositio­nen ragen schon heraus aus dem Musicalein­erlei unserer Tage, auf das er mit musikalisc­hem Allerlei reagierte. Das beschreibt über zwei Akte hinweg den Weg vom Oratorium zum Rockmusica­l, erinnert hier an Weill und dort an Webber, an Paul Dessau und Deep Purple. Das traut sich auch Disharmoni­sches, womit die Sängerdars­teller jedoch insbesonde­re im ersten Akt auf Kriegsfuß stehen und Carlos Chamorro Moreno Mühe hat, die Landeskape­lle zusammenzu­halten.

Geschriebe­n scheint das Werk vor allem für Stefan Poslovski als Teufel in vielerlei Gestalt sowie Thomasz Dziecielsk­is rebellisch­en Schriftset­zer Stephan, ein Müntzer-vertreter. Sie haben große Nummern, derer sich eine vergleichs­weise langweilig­e Lutherfigu­r (Matthias Jahrmärker) erwehren muss. Jannike Schubert singt und spielt unter anderem die heilige Anna und Katharina von Bora, ein richtiges Gesicht und Stimme gibt dieses Musical Frauen aber nicht.

Wieder am ., . und . Mai

 ??  ?? Stefan Poslovski macht sich als Teufel über den dämonengep­lagten Martin Luther von Matthias Jahrmärker her. Foto: Christian Brachwitz
Stefan Poslovski macht sich als Teufel über den dämonengep­lagten Martin Luther von Matthias Jahrmärker her. Foto: Christian Brachwitz

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