Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Dem Volk aufs Maul geschaut
Landestheater Eisenach legt sein Musical „Luther – Rebell wider Willen“von Erich A. Radke und Tatjana Rese wieder auf
Eisenach. „Dir hat der Teufel ins Gehirn gekackt“, ruft der Mansfelder Bergmann aus, weil Sohn Martin Mönch wird, einem Geistes-blitz nahe Stotternheim gehorchend. Als Tetzel, dieser Teufel, mit Ablassbriefen handelt, heißt es: „Stecke es mir richtig rein! Sünde muss sein!“Nachdem aus dem Mönch und einer Nonne ein Paar fürs Leben wurde, lautet die Losung: „Lasst uns leben, lasst uns fressen, lasst uns immer lustig sein!“Und zuvor, da der Teufel Junker Jörg auf der Wartburg heimsucht, fordert dieser zweierlei: „Halt dein verdammtes Maul!“sowie „Leck mich am Arsch!“
So also redet Luther, so redet das Volk, dem er aufs Maul schaut, so sollen auch die Propheten reden. „Ja, und schön bildhaft soll’n sie’s tun.“Es geht hier natürlich ums Neue Testament. Es geht aber irgendwie auch um dieses Musical, für das Regisseurin Tatjana Rese das Libretto schrieb. Schön bildhaft sowie farbenund zitatenreich ist alles bei „Luther – Rebell wider Willen“: die Szene, die Texte, die Musik. Und wenn das Volk im Zuschauerraum jenem auf der Bühne aufs Maul schaut, ist es auch 500 Jahre nach Reformationsbeginn noch wunderlich belustigt und erregt, wenn im Musentempel geredet wird wie auf dem Markt.
Vor vier Jahren wurde dieses Musical am Landestheater Eisenach uraufgeführt, es erlebte 28 Vorstellungen. Zum Jubiläum holt man es planmäßig wieder hervor, für insgesamt 17 Termine. Derart schaut man auch auf den Markt, den touristischen. Das hat keinen aufklärerischen Impuls, aber einen unterhaltenden.
Den Rahmen bildet, im bühnenbildlichen Wortsinn, Cranachs Werkstatt, durch die hindurch man sich ein Bild machen soll von Luthers Leben. Das Ziel ist eine Bilderflut, kein Bildersturm. Das geschieht mit allen Mitteln der Gattung: mit schauspielenden Sängern und singenden Schauspielern, mit Ballett und Statisterie, mit Landeskapelle und Band sowie zuvor aufgezeichneten Chorpartien. So gibt dieser Abend ein Bild ab von der Leistungsfähigkeit eines arg geschrumpften Hauses beziehungsweise auch von der, die es mit vier Sparten noch heute dauerhaft haben könnte.
Erich A. Radkes Kompositionen ragen schon heraus aus dem Musicaleinerlei unserer Tage, auf das er mit musikalischem Allerlei reagierte. Das beschreibt über zwei Akte hinweg den Weg vom Oratorium zum Rockmusical, erinnert hier an Weill und dort an Webber, an Paul Dessau und Deep Purple. Das traut sich auch Disharmonisches, womit die Sängerdarsteller jedoch insbesondere im ersten Akt auf Kriegsfuß stehen und Carlos Chamorro Moreno Mühe hat, die Landeskapelle zusammenzuhalten.
Geschrieben scheint das Werk vor allem für Stefan Poslovski als Teufel in vielerlei Gestalt sowie Thomasz Dziecielskis rebellischen Schriftsetzer Stephan, ein Müntzer-vertreter. Sie haben große Nummern, derer sich eine vergleichsweise langweilige Lutherfigur (Matthias Jahrmärker) erwehren muss. Jannike Schubert singt und spielt unter anderem die heilige Anna und Katharina von Bora, ein richtiges Gesicht und Stimme gibt dieses Musical Frauen aber nicht.
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Wieder am ., . und . Mai