Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Mit Schwung und scharfem Auge
Casting: Fische fangen gilt als Hobby, die Technik des Angelns dagegen ist eine richtige Sportart – unser Autor macht den Selbstversuch mit Rute
zwischen 60 und knapp 80 Zentimetern. Noch schwieriger ist es nur noch, mehrere Zielscheiben hintereinander oder in einer bestimmten Reihenfolge treffen zu müssen.
Insgesamt gibt es vier Zielund fünf Weitwurfdisziplinen, die teilweise unterschiedliche Ruten erfordern. An deren Ende baumeln aber immer Kunstköder oder Gewichte, nie lebendes Getier. „Viele Caster sind aber auch aktive Angler“, sagt Olaf Schulz auf die Frage, ob man beides strikt trennen könne.
Im Grunde sollte Casting – bei Angelinteresse – sogar vor dem ersten selbst gefangenen Fisch stehen, „denn der Umgang mit dem Gerät ist alles, sonst ist Frustration programmiert“. Gilt fürs reine Casting natürlich genauso. Zu diesem Zweck wird beim Training jede Bewegung aufgezeichnet, um sie später am Fernseher auswerten zu können. Die Wurftechnik ist das A und O, sie entscheidet über Gelingen oder Misserfolg. Ich frage mich, ob ich mir das Gewicht einer Angel wohl realistisch vorstelle. Bevor ich selbst ran darf, drückt sie mir Hartmut Martin, Ccs-vereinschef, Angelfreund von Olaf Schulz und selbst langjähriger Caster, in die Hand. Sie wirkt leicht, viel leichter als vermutet. Tatsächlich wiegt sie etwa 300 Gramm bei einer Länge von anderthalb Metern.
„Unterschätzen Sie aber nicht die benötigte Kraft“, warnt mich Schulz. „Wenn die Profis bei den Weltcups loslegen, wird dir fast schwindlig, das sind brachiale Energien, die da wirken“, sagt Hartmut Martin und es liegt etwas Schwärmerisches in seiner Stimme. Casting sei zudem „umfassende Ganzkörperarbeit“.
Ich bin an der Reihe, meine Disziplin heißt „Gewicht Ziel“. Ein 7,5 Gramm schweres Plastikstück ist auf der knallgelben Metallscheibe zu platzieren. Der richtige Handgriff, um die Angel festzuhalten, ist schnell verinnerlicht. Der nächste Schritt ist das Abbremsen. Dabei lässt man die anfangs ganz eingerollte Angelschnur mit sanftem Fingerdruck auf der Spule herunter, bis ihr Ende etwa auf Kniehöhe ist. Die Schnurrolle muss dann bis zum Wurf mit dem Finger fixiert werden, sonst fallen Gewicht oder Köder herunter.
Der Rest klingt nicht wesentlich schwerer: Angel senkrecht aufrichten, aus dem Handgelenk anfangen, zu schwingen, bis das Gewicht etwa 60 Grad nach vorn und 30 nach hinten ausschlägt und dann – einfach werfen. Beim Weitwurf mit aller Kraft, beim Zielwurf dosiert. Eine gewisse räumliche Vorstellungsgabe ist unabdingbar.
Die eigentliche Herausforderung für mich ist aber, die Angelschnur im richtigen Moment freizugeben, damit das Gewicht überhaupt fliegen lernt. Da ist Timing und Übung gefragt, vor allem viel Geduld. „Casting ist sicherlich kein Actionsport. Aber wer einmal dabei ist, der will es so bald nicht mehr missen“, sagt mir Schulz und ich glaube ihm.
Trotzdem würde das konzentrierte, fast mathematisch anmutende Casting nicht mein Lieblingssport werden. Es ist unglaubliche Denkarbeit. Dass es in die Schulter geht, nehme ich Schulz sofort ab. Bevor ich gehe, wirft er selbst noch ein paar Mal zum Fitbleiben; er wirkt konzentriert und ausgeglichen. Sicher ist es das, was er meint.