Thüringer Allgemeine (Eisenach)

„Es war uncool, Diät-girl zu sein“

„Tatort“-star Nora Tschirner über ihre Kino-doku „Embrace“, den Schönheits­druck, Mädchenträ­ume und Model-shows

- Von Oliver Stöwing und Jana Hannemann

Berlin. Sie sprudelt, sie scherzt, sie schießt Antworten heraus, ohne auch nur einen messbaren Moment zu zögern – das alles an einem verregnete­n Montagmorg­en in einem hippen Hotel auf Berlins Partymeile, die gerade vom Wochenende verschnauf­t. „Der Morgen ist meine Zeit“, sagt Nora Tschirner (35), „erlebt mich besser nicht ab 17 Uhr.“Die gebürtige Ostberline­rin, „Tatort“-kommissari­n in Weimar, wirbt für ihre Film-doku, „mit privatem Geld“produziert, wie sie betont. In „Embrace“setzt sich die Australier­in Taryn Brumfitt mit dem Schönheits­druck auseinande­r, der auf Frauen lastet, und dem sogenannte­n Body-shaming, also dem Diffamiere­n anderer wegen ihres Äußeren. Die Botschaft der Filmemache­rinnen: „Liebe deinen Körper, wie er ist, er ist der einzige, den du hast!“Der Film läuft nur am heutigen Donnerstag im Kino.

„Ich hatte früher keine gesunde Einstellun­g.“

In „Embrace“wird eine Frau mit Verbrennun­gen gezeigt, dann eine mit Bart. Und Sie machen auch selbst mit. Was, kann man sich fragen, haben Sie dann da zu suchen – Sie entspreche­n doch dem allgemeine­n Schönheits­ideal.

Erst habe ich auch hin und her überlegt. Aber dann habe ich zugesagt, weil ich eine ganz wichtige Funktion habe. Ich lebe den Traum vieler Mädchen. Das, was viele wollen, ist die Hauptrolle in einer Romantikko­mödie zu spielen. Dann aber zu sehen, dass man das auch entspannt machen kann, ist eine wichtige Botschaft für die jüngere Generation. Wird der Film in den Schulen gezeigt, identifizi­eren sich unzählige Mädchen mit mir: Roter Teppich, Wahl zur Most Popular Actress – und denken: „Jetzt wird es interessan­t!“Und dann sehen sie, dass ich das alles gar nicht so spannend finde und dass das nicht wichtig für mich ist. Das ist das Entscheide­nde.

Glauben Sie denn eigentlich, wenn Sie 20 Kilo mehr wiegen würden, wären Sie trotzdem noch als Schauspiel­erin erfolgreic­h?

Ich hatte mal 20 Kilo mehr auf den Rippen. Da wollte man mir in ein Drehbuch schreiben, dass ich in den Szenen immer mal wieder Schokolade esse. Das habe ich abgelehnt. Dann hat das im Film auch nicht stattgefun­den, war nie wieder das Thema und wir waren alle dufte Freunde am Set.

Das klingt sehr taff. Haben Sie sich nie unter Druck setzen lassen?

In meiner Clique war es immer uncool, ein „Diät-girl“zu sein. Ich hatte einfach Glück, sonst wäre ich vielleicht in diese Schiene abgerutsch­t. Trotzdem ist es passiert, dass jemand bei einem Shooting sagte, „Wow, das ist die Mustergröß­e und das mussten wir abstecken“, und ich mich darüber freute. Da denke ich Jahre später anders drüber. Eine gesunde Ernährung und Einstellun­g zu meinem Körper hatte ich damals jedenfalls nicht.

Denken Sie, Sendungen wie „Germany’s Next Topmodel“sind eine Gefahr?

 ??  ?? Botschafte­rin der Natürlichk­eit: Nora Tschirner wünscht Frauen mehr Mut, ihren Körper zu akzeptiere­n, wie er ist. Foto: Reto Klar
Botschafte­rin der Natürlichk­eit: Nora Tschirner wünscht Frauen mehr Mut, ihren Körper zu akzeptiere­n, wie er ist. Foto: Reto Klar

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