Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Die Schattenseite des Sonnenkults
Überkapazitäten auf dem Weltmarkt und Dumpingpreise chinesischer Anbieter zwingen die europäische Solarbranche in die Knie
Arnstadt. In einer der ältesten Solarfabriken Europas will keine Ruhe einkehren.
Bereits im Jahr 2001 hatte in der Fertigungsstätte im Industriegebiet „Erfurter Kreuz“in Arnstadt die Produktion von Solarzellen begonnen. Die Erfurter Solar Energy AG erwarb das Werk, um parallel zum Gründungsstandort im Südosten der Landeshauptstadt hier weiter wachsen zu können.
Mit dem Verkauf an den Bosch-konzern und der folgenden Investition von mehr als einer halben Milliarde Euro in den Standort schien die rosige Zukunft gewiss.
Doch unter dem Druck massiv fallender Weltmarktpreise für Solarzellen und sich anhäufender Verluste zog Bosch im Jahr 2013 die Reißleine und verabschiedete sich von seinem Thüringer Werk und aus der Solarbranche insgesamt.
Schon damals drohten in den neuen Fabriken die Lichter auszugehen. Der Einstieg der Solarworld AG aus Bonn weckte neue Hoffnungen, immerhin 800 Arbeitsplätze blieben dadurch erhalten. Jetzt steht die hochmoderne Fertigungsstätte erneut zur Disposition. Der Insolvenzantrag des Mutterkonzerns lässt alle Alarmglocken bei den Beschäftigten, den Gewerkschaften und der Politik schrillen.
Nicht ohne Grund sind in den zurückliegenden Jahren in Thüringen in dieser Branche schon Tausende Arbeitsplätze verloren gegangen und Firmen von der Bildfläche verschwunden. So hatte sich – wie Bosch – auch der Technologiekonzern Schott aus Mainz – aus dem Solargeschäft verabschiedet und seine Tochter Schott-solar am Standort Jena aufgelöst.
Am „Erfurter Kreuz“warfen die Scheichs aus den Vereinigten Arabischen Emiraten das Handtuch und stoppten die Fertigung in ihrem Unternehmen Masdar PV. Und beim benachbarten Unternehmen Sunways blieben nach der Fortführung durch Bluecell ebenso viele Arbeitsplätze auf der Strecke wie bei der Pleite der Erfurter Asola Solar AG und dem anschließenden Erwerb durch chinesische Investoren.
Gewaltige Überkapazitäten auf dem Weltmarkt und Dumpingpreise chinesischer Hersteller beklagt der Branchenverband bereits seit geraumer Zeit. Selbst Strafzölle der Europäischen Union auf Solarerzeugnisse aus dem Reich der Mitte konnten das Problem nicht lösen.
Die chinesischen Anbieter errichteten daraufhin Fertigungsstätten in Vietnam und in anderen Länder Asiens. Q-cells, Sovello, Solon – die Liste der Unternehmen, die in der Solarbranche in Deutschland aufgegeben haben oder sich im Insolvenzverfahren befinden, ist lang. Von den einst mehr als 100 000 Beschäftigten in dieser Industriesparte ist nicht einmal mehr ein Drittel vorhanden.
Dazu haben natürlich auch permanente Veränderungen der Förderkonzepte in Europa und Übersee sowie im deutschen Heimatmarkt beigetragen. Unbestritten hat der Anteil der Sonnenenergie in den zurückliegenden Jahren zugenommen. Inzwischen macht Solarstrom etwa ein Fünftel der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Freistaat aus, geht aus den Daten der Agentur für erneuerbare Energien in Berlin hervor.
Trotz der drastischen Verringerung der Kapazitäten Thüringer Solarfirmen kann derzeit noch immer die gesamte Wertschöpfungskette der Branche abgedeckt werden. „Von der Kristallisation über die Waferherstellung und die Produktion von Solarzellen und Solarmodulen bis zur Integration in die Gebäude ist alles in Thüringen vorhanden“, bestätigte gestern Sabine Schmidt vom Branchenverband „Solarinput“.
Allerdings würde eine Pleite von Solarworld in Thüringen die Lage verändern. Nur mit dem Werk des Bonner Konzerns sei die Wertschöpfungskette lückenlos aufrechtzuerhalten, bestätigte die Expertin.
Auf eine Fortführung der Fertigung im Arnstädter Werk von Solarworld hoffen nicht nur die mehr als 800 Beschäftigten. Die hätten schon beim Übergang vom Bosch-konzern zum Bonner Unternehmen bewiesen, wie flexibel und belastbar sie seien, sagt Kirsten Joachim Breuer von der IG Metall in Erfurt.
Gemeinsam mit Betriebsrat, Firmenleitung und Thüringer Wirtschaftsministerium suche man nach Lösungen für eine Zukunft des Unternehmens.
Bosch und Schott stiegen aus Solargeschäft aus