Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Jenas Universität ehrt die Sprachmagierin Herta Müller
Die Literaturnobelpreisträgerin kommt am 20. Juni zum akademischen Festakt in die Saalestadt
TCKU
Freitag , . Mai
zum Lebensmotto wurde: „Wenn die Fahnen flackern, rutscht der Verstand in die Trompete. Ich beschloss, die Trompete nicht zu blasen.“
Müller pflegt eine sehr eigentümliche Poetik, die einerseits durch banatschwäbische Sprachtraditionen und andererseits durch ihre subversive Technik geprägt ist, Bilder zu dekonstruieren und collagenhaft neu zu arrangieren. Damit gewinnt ihre Prosa eine assoziative Dichte und Vielfalt, wie sie sonst eher der Lyrik zu eigen ist.
Misstrauisch und kritisch aus finsterer Erfahrung
Eine herbe Schönheit, sphinxhaft mitunter verrätselt, aber klar und anmutig ist ihr die Sprache, wie sie sagt, nur ein Werkzeug. Was sie erzählen möchte, hat sie – verschlüsselt, durch äußerste Empfindsamkeiten gesintert – aus dem wahren Leben gewonnen. So erwächst ihr ein poetischer Lebensraum zwischen den Zeilen. Darin fühlt sie sich heimisch und wohl; im Leben jedoch hinterfragt und misstraut sie.
Immer wieder finden sich in ihren Werken Sujets aus dem rustikalen familiären Umfeld, der dörflichen Existenz in Siebenbürgen und vor allem von der Unterdrückung unliebsamer Minderheiten in totalitären Strukturen. Zum Teil verarbeitet sie eigenes Erleben, in „Atemschaukel“indes Berichte des befreundeten Dichters Oskar Pastior. Umso größer ihr Entsetzen, als nach dessen Tod ruchbar wurde, dass auch er sich als Spitzel und Zuträger anwerben ließ.
Zart-fragile, durchdringende Stimme der Freiheit
Die ersten literarischen Texte veröffentlichte Müller – wenngleich zensiert – noch in Rumänien. Erst nach ihrer Ausreise ins deutsche Exil wurde sie einem größeren Leserkreis namhaft. Neben einer Fülle von Erzählungen gehören die Romane „Herztier“und „Atemschaukel“zu ihren bekanntesten Werken. Es ist eine leise, zart-fragile, aber durchdringende Stimme der Freiheit, die endlich gehört wurde. 2009 erhielt Müller den Literaturnobelpreis. Spätestens damit rückte sie in den Rang einer Weltliteratin auf.
Neben unzähligen Auszeichnungen – darunter der Joseph-breitbachund der in Weimar verliehene Konrad-adenauer-literaturpreis – sammelte die Schriftstellerin Ehrendoktorhüte bereits in Paderborn, Swansea (Großbritannien) und Carlisle (USA) auf. In Jena kriegt sie keinen; Hüte sind dort nicht Brauch. – Doch nicht nur die akademische Gemeinschaft der Alma mater sieht jetzt schon voller Spannung der Dankesrede einer wunderbaren Autorin entgegen, um die es zuletzt ein wenig still geworden war.