Thüringer Allgemeine (Eisenach)
„Luther hat den Weg in die moderne Welt geöffnet und die Gesellschaft bereichert“
I W Der amtierende Us-botschafter Kent Logsdon besuchte mit seiner Frau Michele Logsdon die Lokalredaktion Eisenach
Eisenach. Der Gesandte der Vereinigten Staaten in Berlin, Kent Logsdon, fungiert aktuell als Interims-geschäftsträger der Us-botschaft. Das Interesse an Martin Luther und der Reformation lockten ihn und seine Frau Michelle Logsdon, die Botschaftsrätin für Kultur- und Bildungsangelegenheiten ist, nach Eisenach. Unsere Zeitung sprach mit dem Paar über ihre gesammelten Eindrücke in der Wartburgstadt.
Welchen Eindruck gewannen Sie, Herr Longsdon, und Ihre Gattin von Eisenach und der Wartburgregion?
Für mich ist es der erste Besuch in Eisenach. Die Landschaft, die Kultur und die Geschichte, die Eisenach zu bieten hat, sind einfach toll. Ich habe es nicht für möglich gehalten, hier auf so viel Geschichte mit Martin Luther und Johann Sebastian Bach zu treffen. Ich bin überwältigt, es ist unglaublich schön hier.
Michele Logsdon fügt hinzu: Ich besuchte am Vormittag das Seume-gymnasium in Vacha. Etwa 70 Schüler der siebenten und der elften Klasse haben mich herzlich empfangen. Sie führten mich in einem kleinen Rundgang durch ihre Stadt. Ich bin beeindruckt, wie gut die Schüler Englisch sprechen und natürlich auch darüber, wie gut sie die Geschichte ihrer Stadt kennen. Vor 30 Jahren war ich in Ostberlin tätig – da hätte man nie die Chance gehabt, die Stadt im Sperrgebiet zu besuchen.
Sie sind wegen der Feierlichkeiten 500 Jahre Reformation gekommen. Welche Bedeutung hat für Sie Martin Luther?
Das Reformationsjubiläum ist etwas ganz besonderes und für mich ein schöner Grund die Lutherstätten aufzusuchen. Vor einigen Monaten habe ich schon Wittenberg besucht. Mir macht es richtig Spaß, Deutschland auch einmal außerhalb von Berlin kennenzulernen. Ich freue mich besonders auf das Konzert mit dem Wartburg-chor aus Eisenachs Partnerstadt Waverly.
Rechnen Sie im Reformationsjahr 2017 mit einem vermehrten Besuch von amerikanischen Touristen in Deutschland, insbesondere in den Lutherstädten?
Amerika hat viele Mitglieder der Lutherischen Kirche und so ist das Interesse an Luther auch bei uns sehr groß. Amerikaner sind sehr daran interessiert, authentische Schauplätze kennenzulernen. Luther hat uns den Weg in die moderne Welt geöffnet. Seine Ansichten haben unsere Gesellschaft sehr bereichert.
Michele Logsdon ergänzt:
Das Interesse an Luther verdeutlicht auch der enorme Besucheransturm zur Ausstellung „Renaissance und Reformation – Deutsche Kunst im Zeitalter von Dürer und Cranach“in Los Angeles. Ich freue mich, dass die Ausstellung an mehreren Orten in Amerika zu sehen sein wird; jetzt ist sie in Minnesota.
Können Sie beispielsweise nach Ihrem Besuch der Nationalen Sonderausstellung auf der Wartburg diese auch weiter empfehlen?
Die Ausstellung ist sehr gut gelungen – ich fand sie sehr toll und beim Rundgang habe ich viel gelernt. Es ist erstaunlich, was Luther geleistet hat. Für mich war es beeindruckend, genau an dem Ort sein zu dürfen, wo er die Bibel übersetzt hat. Seine Bibelübersetzung war sehr, sehr wichtig – Luther hat damit eine Reformation und keine Revolution eingeleitet.
Michele Logsdon fügt an:
Man bräuchte viele Stunden Zeit für die Ausstellung – es gibt viel Interessantes zu lesen.
Die Wartburgstadt pflegt seit 25 Jahren intensive freundschaftliche Beziehungen mit Waverly (Iowa), Eisenachs Partnerstadt in den Vereinigten Staaten. Wie wichtig sind solche Beziehungen aus Ihrer Sicht?
Partnerschaften zwischen Städten unserer Länder sind äußerst wichtig – das fördert die Beziehungen unserer Länder ungemein. Zwischen Waverly und Eisenach besteht sogar eine sehr intensive Partnerschaft – es gibt einen regen Studentenaustausch und viele gemeinsame Kulturveranstaltungen, beispielsweise jetzt das Konzert mit dem College-chor in Eisenach. Ein Professor aus Waverly hat mir vor einigen Jahren mal gesagt, dass Eisenach für ihn das Tor in die Welt sei. Viele Städte haben miteinander Kooperationen aufgebaut, aber in der Partnerschaft zwischen Waverly und Eisenach habe ich jetzt feststellen können, dass sie besonders innig und intensiv ist.
Haben Sie Eisenachs Partnerstadt Waverly schon persönlich kennenlernen können? Nein, leider noch nicht, aber nach unserem Besuch in Eisenach müssen wir Waverly unbedingt besuchen.
Sie besuchen mit Ihrer Gattin das Konzert des Chores vom Wartburg-college aus Waverly in der Georgenkirche. Warum haben Sie sich so darauf gefreut?
Das war uns ganz wichtig, wir hören den Chor zum ersten Mal. Einen Chor aus den Vereinigten Staaten außerhalb Amerikas zu erleben, ist etwas ganz besonderes – und dazu noch so ein großer mit 80 Studenten.
Michele Logsdon fügt hinzu: Unsere Tochter singt auch in einem Chor – leider können wir sie dabei nur recht selten singen hören.
„Welcome, Mr. President“hieß es am 14. Mai 1998: Der damalige Us-präsident Bill Clinton stattete der Wartburgstadt Eisenach einen Besuch ab. Haben Sie Bill Clinton schon persönlich kennenlernen dürfen?
Ach, das wusste ich nicht, dass er schon hier war. Bill Clinton habe ich einmal in Bangkok getroffen, das war aber erst nach seiner Präsidentschaftszeit. Hillary Clinton begegnete ich des Öfteren, auch als sie First Lady war.
Und Amerikas frisch gewählten Präsidenten?
Ja, in Washington mit der Kanzlerin habe ich ihn das erste Mal getroffen – es war eine sehr interessante Begegnung und wichtig für die Beziehungen unserer Länder. Sie sprachen damals über die Krisen in der ganzen Welt. Im Juli sehen sich beide zum G20-gipfel in Hamburg wieder.
Sie trafen Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf im Rathaus. Über welche Themen haben Sie sich mit ihr ausgetauscht?
Es ging um die Partnerschaft mit Waverly, das Reformationsjubiläum, Eisenachs Sehenswürdigkeiten, Poetry Slam und um Opel. Dem Werk drücke ich ganz fest meine Daumen, damit es mit dem neuen Partner reibungslos und ohne Arbeitsplatzverluste weitergeht. Ich besuchte hier die Lear Corporation, es ist auch ein amerikanisches Unternehmen. Frau Wolf erzählte mir auch von ihrem Besuch in Amerika. Und ich habe ihr versprochen – ich komme wieder.