Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Zwischen Pop und Kriegslärm

Das Esc-finale am Sonnabend in Kiew ist durch den russisch-ukrainisch­en Konflikt politisier­t wie nie

- Von Stefan Scholl

Kiew. Kiew ist bereit für das Esc-finale: Am Sonnabend ist es endlich so weit. Dann werden 26 Kandidaten in Kiew ihr Land mit einem Song vertreten und auf die begehrten „twelve points“hoffen. Die ukrainisch­e Hauptstadt putzt sich nach 2005 zum zweiten Mal für den Song Contest heraus, der dieses Mal durch den russisch-ukrainisch­en Konflikt politisier­t ist wie nie. Am heutigen Donnerstag steht noch das zweite Halbfinale an, dann ist endlich klar, wer die Konkurrenz für Deutschlan­ds Levina ist.

Gebucht fürs Finale ist schon längst die Moderatori­n: Barbara Schöneberg­er wird wieder durch den Abend führen: Am späten Dienstagab­end haben sich bereits im ersten Halbfinale zehn Teilnehmer qualifizie­rt: Mit dabei die Top-favoriten Robin Bengtsson aus Schweden, der mit einem Song überzeugte, der an Justin Timberlake erinnert.

Artsvik aus Armenien begeistert­e die Juroren mit einem Ethno-elektro-song. Auch die als Geheimtipp gehandelte Blanche aus Belgien gehört zu den 26 Teilnehmer­n der Eurovision-endrunde. Australien hat es mit dem 17-jährigen Isaiah ebenfalls geschafft. Bei seinem „Don’t come easy“schmelzen Mädchenher­zen dahin, so die Jury.

Deutschlan­d ist längst gesetzt. Sängerin Levina wird mit ihrem Lied „Perfect Life“antreten. Sie musste nicht durch die Halbfinalp­rüfung, denn Deutschlan­d, Frankreich, Großbritan­nien, Spanien und Italien gelten als „Big Five“-länder – die größten Geldgeberl­änder, die automatisc­h dabei sind. Auch dabei ist das Land, das im Vorjahr den Titel gewonnen hat und damit Gastgeberl­and ist.

Ort der großen Party in Kiew ist das Internatio­nale Ausstellun­gszentrum am östlichen Dnjepr-ufer. Das Publikum kann per U-bahn oder auf eigens eingesetzt­en Dampfern dorthin gelangen. Insgesamt 30 Millionen Euro haben die Veranstalt­er ausgegeben, auch für acht Fanzonen im historisch­en Stadtzentr­um, die größte auf der Prachtstra­ße Kreschtsch­atik.

Dort, wo 2013 und 2014 monatelang die Maidan-revolution­äre kampierten, ist jetzt Platz für 12 000 Schlagerfa­ns. Kiew als Austragung­sort war heftig in die Diskussion geraten. Schon wegen der Ballade über die Deportatio­n der Krimtatare­n 1944, dem Siegerlied von Stockholm, mit dem die krimtatari­sche Sängerin Jamila den Wettbewerb nach Kiew gebracht hatte.

Ein Politikum. Im März 2014 hatte Russland die ukrainisch­e Schwarzmee­rhalbinsel besetzt. Jamilas Sieg wurde in Moskau als antirussis­cher Affront aufgenomme­n. Und das russische Staatsfern­sehen antwortete, indem es für Kiew in letzter Minute Sängerin Julia Samoilowa nominierte.

Obwohl durchaus voraussehb­ar war, dass die Ukraine ihr die Einreise verweigern würde, weil sie 2015 auf der Krim aufgetrete­n war – ein Verstoß gegen ukrainisch­es Gesetz. Die Russen erklärten der Ukraine den Boykott, das Fernsehen will das Finale nicht ausstrahle­n. Das Motto des Festivals lautet dieses Jahr „Feiert die Vielfältig­keit“. Und der Betonbogen „der Völkerfreu­ndschaft“im zentralen Kreschtsch­atik-park wurde trotz einiger rechtsradi­kaler Proteste als „Torbogen der Vielfältig­keit“

mit Regenbogen-farben beklebt und ausgeleuch­tet, die Fangemeind­e der Homosexuel­len wird es sicherlich freuen. Die Stimmung ist gelöst, vielleicht weil der große Skandal schon vorbei ist.

Dieses Jahr singen die Teilnehmer keine Lieder, die politische Kampfabsti­mmungen hervorrufe­n könnten. Und es sind mehrere Kandidaten am Start, denen man auch in Russland die Daumen drücken wird. Etwa dem erst 17-jährigen Bulgaren Kristian Kriov, der in Moskau aufwuchs.

Erklärter Favorit ist allerdings der 34 Jahre alte Italiener Francesco Gabbani. Sein Sieg wäre wohl auch Moskau recht. Denn im Gegensatz zur Ukraine weiß in Italien längst nicht jeder Musikinter­essierte, wo die Krim überhaupt liegt.

▶ Foto: Imago

Der große Favorit kommt aus Italien

Das Erste, Sonnabend, ab . Uhr

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Die Armenierin Artsvik setzte sich im ersten Halbfinale in Kiew mit dem Lied „Fly with me“durch.
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Bereits zum zweiten Mal findet das Esc-finale in der ukrainisch­en Hauptstadt, Kiew, statt. Foto: dpa

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