Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Mit sonnigem Gemüt durchs Leben
Ursula Rauh wurde am Freitag 100 Jahre alt. Eine der einst attraktivsten Frauen Eisenachs schwört auf Naturkosmetik
Eisenach. Ihren 100. Geburtstag im Kreise von Familie und Bekannten beging am Freitag Ursula Rauh. In die Zeitung wollte sie eigentlich nicht, „aber na ja ...“.
Auch wenn das Gehör der Jubilarin nicht mehr das Beste und der Rollstuhl nach einem Unfall nicht mehr wegzudenken ist, geistig ist die an der Rennbahn geborene Eisenacherin noch fidel. „Vor einigen Jahren war sie noch um einiges besser drauf“, weiß Sybille Lieder, eines von drei Enkelkindern.
Seit sieben Jahren lebt die bodenständige und stets naturverbundene Frau im Drk-justusstift. Dort wird sie gut betreut, wissen Kinder und Enkel. Der Trubel war am Freitag groß, die Gratulanten zahlreich. Eisenachs Seniorenbeauftragte Erika Hermanns überbrachte die guten Wünsche im Namen der Stadtverwaltung. Als die Jubilarin geboren wurde, war an den Versailler Vertrag noch nicht zu denken. Die geborene Kieselbach besuchte zuerst das Lyzeum, später die weiterführende Schule, das heutige Ernst-abbegymnasium. Englisch und Französisch gehörten zur Grundausstattung.
Einige Gesellschaftsordnungen und noch mehr Währungen erlebte die 100-Jährige, die seit mehr als zehn Jahren Witwe ist. Zweimal war die stets gepflegte und adrette Frau verheiratet. Ursula Rauh schwor in besten Jahren auf Naturkosmetik statt Chemie, berichtet eine frühere Nachbarin. Dieses Rezept habe sie immer gut aussehen und ihr sonniges Gemüt samt Frühsport alt werden lassen.
Gerne mit Hut und immer hochhackig sei sie als die immer elegante Frau in der Stadt unterwegs gewesen, etwa bei ihren Kaffeekränzchen mit Freundinnen in der „Süßen Ecke“. Dass sie keine hohen Absätze mehr tragen konnte, grämte die Seniorin noch vor einigen Jahren besonders, weiß die Familie. Sie war eine der attraktivsten Frauen in Eisenach, schwört eine Bekannte.
Geschneidert hat Ursula Rauh ihr Lebtag viel, als Hobby. Auf ihr Konto gehen mehr als ein Hochzeitskleid im Familienund Freundeskreis. Auf diesem Gebiet war die Eisenacherin fit.
Sie ist eines von zwei Kindern einer echten Eisenacher Familie. Schwester Ilse war früh in den Westen gegangen. Ursula blieb, weil ihr Eisenach und die sie umgebenden Menschen zu sehr am Herzen lagen, ihre schöne Wohnung am Philosophenweg, in der sie Jahrzehnte gelebt hatte und ihr Garten im Johannistal. Ein Refugium, von dem die Enkel bis heute mit kindlicher Erinnerung schwärmen.