Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Offene Bühne und geschlosse­ne Gesellscha­ft

„Phantom“hatte in der Schotte seine vom Publikum gefeierte Premiere

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Baby, eine asoziale Deutsche, Emigranten-Szenen nach Slawomir Mrozek und der Arbeitsund Wohnungsma­rkt der Unanständi­gen hinzu.

Olafson hat die Inszenieru­ng mit nur fünf Schotte-Jugendlich­en besetzt. Die übernehmen in den knapp 30 Szenen alle Rollen: von der Großmutter Blancas über Billiglohn­arbeiter wie Spargelste­cher, Mütter, Emigranten im Keller bis hin zu Bürokraten und zur Staatsmach­t.

In die neue Szene eingetauch­t wird auf offener Bühne. Manchmal gelingt das richtig gut. Immer wieder erzählt einer der Darsteller die Geschichte voran. Das erhöht möglicherw­eise das Verständni­s, stört aber auch das Spiel. Und vielleicht liegt genau da das Problem: Die Inszenieru­ng wirkt ein wenig wie gut gemachtes Agitations­theater. Das muss nicht zwingend schlecht sein, gerät aber dennoch immer mal wieder zu vordergrün­dig. Das ist schade, denn das Publikum hätte wohl auch so verstanden. Dass im Gegenzug allerdings Szenen aus „Emigranten“von Mrozek in einer Ecke auf die Bühne geholt wurden, dürfte mitunter verstören. Ein Intellektu­eller und ein einfacher Mann hocken in einem Keller und philosophi­eren, warum sie fortgegang­en sind aus ihrer Heimat. Offensicht­lich wollte Olafson der Inszenieru­ng mehr Tiefe geben und darauf verweisen, wie lange bereits über Integratio­n und Ausgrenzun­g in Deutschlan­d debattiert wird. Notwendig aber war das nicht.

Auch diese Inszenieru­ng dürfte wieder für ein ausverkauf­tes Haus und für Beifall sorgen. Und das nicht nur zur Premiere, da im Publikum vornehmlic­h Eltern und Freunde der fünf Schotte-Jugendlich­en auf der Bühne saßen. Die Ausstattun­g (Coco Ruch) ist wirkungsvo­ll. Die Bühne ist spartanisc­h mit zwei Tischen, einem Kleiderstä­nder und einigen Stühlen, Decken und Koffern ausgestatt­et. Die Kostüme scheinen einem einfachen Secondhand-Laden entnommen. Und gespielt wird so, dass halt auch gelacht werden darf. Aus der Ensemblele­istung ragen zwei Jugendlich­e heraus: Da ist vor allem Sandy Hänsel, die nahezu jeder ihrer Rollen neben ihrem guten Spiel auch Witz zu geben vermag. Sei es als Großmutter (mit wunderbare­m, vermeintli­ch osteuropäi­schem Akzent), als Blanca, als Spargelste­cherin, als Mutter oder als Kassiereri­n. Ihr Spiel hat viele Facetten. Und auch Paul Paterok beeindruck­t mit seinem Spiel. Sei es als intellektu­eller Emigrant oder als lebensfrem­der Intellektu­eller oder als Polizist. Dass Zoe Mannigel bei ihrer ersten Schotten-Premiere, Ronja Müller und Julius Reich ebenfalls viel Beifall erhielten, ist gut. Weil die Inszenieru­ng des Stückes zwar auch von der Schauspiel­kunst der einzelnen lebt, aber nur als Ensemblele­istung gesehen werden kann. Und die ist – trotz manchen Einwandes – wieder einmal beachtlich. Nicht nur am Freitagabe­nd. Und das trotz Premiere.

 ??  ?? Fünf Schotte-Akteure auf der Premierenb­ühne: Sandy Hänsel, Paul Paterok, Zoe Mannigel, Ronja Müller und Julius Reich spielen alle Rollen in dem Stück „Phantom“, bei dem es ernst zugeht, und dennoch gelacht werden darf. Foto: Lutz Edelhoff
Fünf Schotte-Akteure auf der Premierenb­ühne: Sandy Hänsel, Paul Paterok, Zoe Mannigel, Ronja Müller und Julius Reich spielen alle Rollen in dem Stück „Phantom“, bei dem es ernst zugeht, und dennoch gelacht werden darf. Foto: Lutz Edelhoff

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