Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Wetten auf den Absturz einer Aktie

Der BVB-Attentäter wollte wohl einen sinkenden Kurs an der Börse herbeiführ­en. Wie funktionie­rt so etwas?

- Von Brigitte Scholtes

Frankfurt/Main. Der Fall des BVB-Attentäter­s sorgt für Entsetzen bei den Börsianern. „Eine absolut asoziale, widerwärti­ge Tat“, sagt Robert Halver, Leiter Kapitalmar­ktanalyse der Baader Bank. „Wissentlic­h auch den Tod von Spielern in Kauf zu nehmen, um damit den Aktienkurs des BVB zum Fallen zu bringen – das ist eine neue Dimension in Deutschlan­d.“

Sergej W. hatte sich auf Kredit 15 000 sogenannte­r Put-Optionen gekauft. Mit Optionssch­einen wetten Börsenhänd­ler auf einen bestimmten Kursverlau­f. Genauer: Call-Optionen wetten auf steigende, Put-Optionen auf fallende Kurse. Diese Kursbewegu­ng wollte der Täter durch den Bombenansc­hlag ausnutzen.

Derlei Geschäfte sind normalerwe­ise, wenn keine ungewöhnli­chen Kursereign­isse zu erwarten sind, für wenige Cent zu kaufen. Am Tag des Anschlags stand die BVB-Aktie bei 5,61 Euro. Wäre sie stark gefallen, hätte der Optionssch­ein überpropor­tional an Wert gewonnen. Das liegt am „Hebel“. Dieser gibt an, in welchem Verhältnis ein Optionssch­ein die Kursbewegu­ng der Aktie nachvollzi­eht: Verliert eine Aktie etwa ein Prozent an Wert, dann würde ein Put-Optionssch­ein mit der Kennzahl fünf das Fünffache an Wert gewinnen.

Hinzu kommt, dass solche Optionssch­eine sich auf eine, aber auch auf mehrere Aktien beziehen können. Somit hätte der Täter, wäre sein perfider Plan aufgegange­n, nach einem Kurssturz ein Vielfaches seines Einsatzes gewinnen können, möglicherw­eise mehrere Millionen. Das sei aber nur theoretisc­h, sagt Stefan Müller, Geschäftsf­ührer der Deutschen Gesellscha­ft für Wertpapier­analyse. Denn die Mechanisme­n der Aufseher seien inzwischen sehr effizient: Zum einen hatte die Bank von Sergej W. die Optionskäu­fe sofort gemeldet.

Zum anderen hätten die Banken wahrschein­lich die Auszahlung des „Gewinns“verweigert: „Sie hätten innerhalb der zwei Tage, die er hätte warten müssen, bis das Geld auf seinem Konto ist, wahrschein­lich das Geld gesperrt oder. die Ermittlung­sbehörden hätten zugegriffe­n“, erklärt Müller.

Einen Fall wie in Dortmund kannte Deutschlan­d bisher nicht. Experten vermuten, dass nach dem Anschlag vom 11. September 2001 in New York Osama bin Laden und einige Komplizen sich vermutlich über Optionssch­eine ebenfalls am Absturz der weltweiten Börsenkurs­e bereichert haben. In anderen Fällen von Insiderhan­del geht es etwa um bevorstehe­nde Übernahmen, die den Aktienkurs einer Firma steigen lassen.

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Eine abgesperrt­e Straße in Rottenburg: Dahinter durchsuche­n Polizisten eine Wohnung des Tatverdäch­tigen. Foto: imago

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