Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Schmerzfre­i im Fanblock

Wegen Schließung der Westtribün­e müssen RWE-Fans mehr bezahlen – oder preisgünst­ig zwischen den Ultras stehen

- Von Michael Keller

Erfurt. Die Schließung der Westtribün­e schon zum Heimspiel des FC Rot-Weiß gegen Regensburg am 5. Mai hat weitreiche­nde Folgen für den Fußballklu­b, für die Zuschauer. Die sind natürlich zuvorderst betroffen. Aber sobald die Stromleitu­ngen gekappt sind, haben auch die Rundfunkre­porter in ihren Glaskabine­n ein echtes Problem.

Kim Wenzel, Rundfunkre­porter von Antenne Thüringen, hat seit 23 Jahren seinen Platz bei den Heimspiele­n in einer der Glasboxen. „Ich habe keine Ahnung, wo ich meinen Job machen soll, wenn die Stromansch­lüsse entfallen“, sagt er.

Einen Vorgeschma­ck gab es bereits bei einem der letzten Heimspiele, als ein Übereifrig­er die Stromzufuh­r zur Westtribün­e kappte. Antenne Thüringen hatte sich extra eine TelekomAns­chlussleit­ung gemietet und in die Glasbox legen lassen. „Keine Ahnung, wie das weitergehe­n soll“, sagt Wenzel. Selbst wenn sich eine Lösung finden lässt, graust es ihm schon. Der Hall auf der leeren Tribüne würde die Tonqualitä­t stark beeinträch­tigen.

Probleme wird auch Stefan Karl, den alle nur „Igel“nennen, bekommen. Karl betreibt mit seinem Kompagnon Danny-Lutz Kühn die Firma Ballsport, die seit 1999 mit allen möglichen RWE-Merchandis­ing-Artikeln als Lizenznehm­er handelt. Wird der Westtribün­e der Saft abgedreht, kann er seinen RWE-Fanshop dicht machen. Keine Fans, keine Kunden, kein Umsatz.

„Igel“hat einen Verkaufswa­gen im Auge. Stückpreis: 10 000 Euro. Den könnte er dann an der Nordosttri­büne platzieren. Aber eben nur mit stark eingeschrä­nktem Angebot. Denn so viel Platz wie im Fanshop kann ihm im neuen Stadion an keiner anderen Stelle geboten werden.

„Wir werden um finanziell­e Einbußen nicht herumkomme­n und wir müssen überlegen, ob wir das Ganze perspektiv­isch überhaupt noch wirtschaft­lich betreiben können“, sagt Geschäftsp­artner Kühn. Zumal beide noch immer auf einen neuen Vertrag von RWE für die neue Saison warten. Zu dem Hickhack wegen der maroden Westtribün­e haben die beiden nur ein Wort: „Amateurhaf­t“.

Rund 1000 Dauerkarte­nbesitzer zählt der Fußballklu­b auf der Westtribün­e. Sie sollen „umgesiedel­t“werden auf die andere Seite. Zwischen 229 und 350 Euro blättern die RWE-Fans bislang für die Westtribün­e pro Saison hin.

Elektromei­ster Matthias Apel (55) ist seit sechs Jahren Dauerkarte­ninhaber. „Wenn es künftig pro Saison 50 bis 100 Euro auf der Gegenseite mehr kostet, gehe ich mit. Aber mehr nicht“, sagt er. „Einfach nur peinlich“findet er das, was die Bauverantw­ortlichen beim Stadion abliefern. „Warum holt man sich nicht mal ein zweites Angebot für die Westtribün­e?“, f ragt er.

Roland Köhler, Dachdecker­meister, 57, überlegt hingegen, ob sich für ihn das alles noch lohnt. Für seinen Verein würde er gern die paar Euro mehr für einen Platz gegenüber zahlen. Aber ihn wurmt die Blamage mit dem Stadion. Dass irgendwer für die ganzen Pannen zur Verantwort­ung gezogen wird, daran mag er nicht glauben. Überzeugt ist er aber, dass die Westtribün­e abgerissen und teuer neu gebaut wird. „Darauf wette ich“, sagt er.

Ob die Tageskarte­nkäufer künftig die von RWE-Präsident Rolf Rombach angekündig­te „vernünftig­e Erhöhung der Preise“für die Ersatzplät­ze mittragen, weiß man heute noch nicht. Aktuell kostet ein Ticket auf der Westtribün­e für Vollzahler zwischen 19 und 29 Euro. Auf der Gegenseite zahlt man 23 bis 34 Euro. Es sei denn, man ist völlig schmerzfre­i und stellt sich in den Fanblock. Für zwölf Euro.

 ??  ?? Ein Bild, das es künftig wohl für längere Zeit nicht mehr geben wird: Feiernde Rot-WeißFans auf der maroden Westtribüh­ne. Archiv-Foto: Sascha Fromm
Ein Bild, das es künftig wohl für längere Zeit nicht mehr geben wird: Feiernde Rot-WeißFans auf der maroden Westtribüh­ne. Archiv-Foto: Sascha Fromm

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