Schmerzfrei im Fanblock
Wegen Schließung der Westtribüne müssen RWE-Fans mehr bezahlen – oder preisgünstig zwischen den Ultras stehen
Erfurt. Die Schließung der Westtribüne schon zum Heimspiel des FC Rot-Weiß gegen Regensburg am 5. Mai hat weitreichende Folgen für den Fußballklub, für die Zuschauer. Die sind natürlich zuvorderst betroffen. Aber sobald die Stromleitungen gekappt sind, haben auch die Rundfunkreporter in ihren Glaskabinen ein echtes Problem.
Kim Wenzel, Rundfunkreporter von Antenne Thüringen, hat seit 23 Jahren seinen Platz bei den Heimspielen in einer der Glasboxen. „Ich habe keine Ahnung, wo ich meinen Job machen soll, wenn die Stromanschlüsse entfallen“, sagt er.
Einen Vorgeschmack gab es bereits bei einem der letzten Heimspiele, als ein Übereifriger die Stromzufuhr zur Westtribüne kappte. Antenne Thüringen hatte sich extra eine TelekomAnschlussleitung gemietet und in die Glasbox legen lassen. „Keine Ahnung, wie das weitergehen soll“, sagt Wenzel. Selbst wenn sich eine Lösung finden lässt, graust es ihm schon. Der Hall auf der leeren Tribüne würde die Tonqualität stark beeinträchtigen.
Probleme wird auch Stefan Karl, den alle nur „Igel“nennen, bekommen. Karl betreibt mit seinem Kompagnon Danny-Lutz Kühn die Firma Ballsport, die seit 1999 mit allen möglichen RWE-Merchandising-Artikeln als Lizenznehmer handelt. Wird der Westtribüne der Saft abgedreht, kann er seinen RWE-Fanshop dicht machen. Keine Fans, keine Kunden, kein Umsatz.
„Igel“hat einen Verkaufswagen im Auge. Stückpreis: 10 000 Euro. Den könnte er dann an der Nordosttribüne platzieren. Aber eben nur mit stark eingeschränktem Angebot. Denn so viel Platz wie im Fanshop kann ihm im neuen Stadion an keiner anderen Stelle geboten werden.
„Wir werden um finanzielle Einbußen nicht herumkommen und wir müssen überlegen, ob wir das Ganze perspektivisch überhaupt noch wirtschaftlich betreiben können“, sagt Geschäftspartner Kühn. Zumal beide noch immer auf einen neuen Vertrag von RWE für die neue Saison warten. Zu dem Hickhack wegen der maroden Westtribüne haben die beiden nur ein Wort: „Amateurhaft“.
Rund 1000 Dauerkartenbesitzer zählt der Fußballklub auf der Westtribüne. Sie sollen „umgesiedelt“werden auf die andere Seite. Zwischen 229 und 350 Euro blättern die RWE-Fans bislang für die Westtribüne pro Saison hin.
Elektromeister Matthias Apel (55) ist seit sechs Jahren Dauerkarteninhaber. „Wenn es künftig pro Saison 50 bis 100 Euro auf der Gegenseite mehr kostet, gehe ich mit. Aber mehr nicht“, sagt er. „Einfach nur peinlich“findet er das, was die Bauverantwortlichen beim Stadion abliefern. „Warum holt man sich nicht mal ein zweites Angebot für die Westtribüne?“, f ragt er.
Roland Köhler, Dachdeckermeister, 57, überlegt hingegen, ob sich für ihn das alles noch lohnt. Für seinen Verein würde er gern die paar Euro mehr für einen Platz gegenüber zahlen. Aber ihn wurmt die Blamage mit dem Stadion. Dass irgendwer für die ganzen Pannen zur Verantwortung gezogen wird, daran mag er nicht glauben. Überzeugt ist er aber, dass die Westtribüne abgerissen und teuer neu gebaut wird. „Darauf wette ich“, sagt er.
Ob die Tageskartenkäufer künftig die von RWE-Präsident Rolf Rombach angekündigte „vernünftige Erhöhung der Preise“für die Ersatzplätze mittragen, weiß man heute noch nicht. Aktuell kostet ein Ticket auf der Westtribüne für Vollzahler zwischen 19 und 29 Euro. Auf der Gegenseite zahlt man 23 bis 34 Euro. Es sei denn, man ist völlig schmerzfrei und stellt sich in den Fanblock. Für zwölf Euro.