Notfall Notdurft
Wer unterwegs mal muss, kommt um eine öffentliche Toilette nicht herum. So unterschiedlich hält es Thüringen mit dringenden Bedürfnissen
Erfurt. In Gera sollten Mann oder Frau nicht müssen müssen. Denn dann könnte es eng werden. „Im öffentlichen Straßenraum gibt es eine öffentliche Toilettenanlage. Diese kann nur von Behinderten mit spezieller Chipkarte benutzt werden“, so Stadtsprecherin Helga Walther. Weitere Toilettenanlagen seien von den Betreiberfirmen Wall und JC Decaux abgebaut worden, da kaum eine Nutzung erfolgt sei. Neue Anlagen sind laut Walther aufgrund der hohen Investitionskosten und der Finanzsituation der Stadt Gera nach gegenwärtigem Stand nicht geplant.
Wir wissen nicht, ob Geraer und Besucher der Stadt tatsächlich seltener dringende Bedürfnisse verspüren. Wird die Notdurft doch mal zum Notfall, müssten sie auf einen gnädigen Restaurantbetreiber vertrauen oder auf eine hoffentlich erreichbare WC-Anlage eines Einkaufszentrums ausweichen.
Egal ob als Fußgänger beim Einkaufen, als Tourist oder als Autofahrer – wer muss, kommt früher oder später um eine Toilette nicht herum. Städte, Märkte oder Parkplätze und Raststätten entlang der Autobahnen halten es dabei sehr unterschiedlich, ob und wie sie Klos bereitstellen. Mancherorts ist die Benutzung des stillen Örtchens gratis, an anderer Stelle kommt man ohne passendes Kleingeld nicht durch die Automatiktür oder am Toilettenteller vorbei.
Wie unsere Stichprobe quer durch Thüringen zeigt, droht in Sachen Harndrang nicht überall der Härtefall wie in Gera. Für die Landeshauptstadt Erfurt verweist Sprecherin Inga Hettstedt auf öffentliche Toilettenanlagen auf dem Domplatz und auf dem Anger, die von privaten Gastronomen mit betreut werden. Weitere von Stadt und Stadtwirtschaft betriebene Toiletten fänden sich auf dem Petersberg (an der Buswendeschleife), im Bürgergarten, am Domplatz und am Parkplatz in der Günterstraße.
Allerdings seien in diesem Jahr bereits zwei vollautomatischen Toilettenanlagen – am Rathausparkplatz und in der Bahnhofstraße – aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen entfallen, auch weil sie nicht bedarfsgerecht und verschlissen gewesen seien. „Lösungsansätze für den Ersatz werden derzeit diskutiert“, sagt Hettstedt.
Immerhin legt Erfurt den Begriff des öffentlichen Örtchens weit aus. Teilweise durchgängig geöffnete Erleichterungsmöglichkeiten über die genannten Lokalitäten hinaus finden sich laut Hettstedt in Bahnhof, Bürgeramt, Busbahnhof, Anger 1, in verschiedenen Hotels sowie in diversen Kultureinrichtungen wie der Schotte. Auch im restlichen Stadtgebiet seien öffentliche Toiletten wie z. B. im Haus der sozialen Dienste, im Jugendamt am Steinplatz, in der Thüringenhalle, im Kulturministerium sowie in Schwimmhallen und Sporteinrichtungen vorhanden. Nicht zu vergessen freundliche Gastronomen, die Zutritt zu ihren sanitären Einrichtungen gewährten.
Hinweise auf öffentliche Toiletten geben mittlerweile auch diverse Handy-Apps. Allerdings sollte man nicht auf deren Aktualität vertrauen. So führte unsere Suche in der Weimarer Geleitstraße ins Leere. Dafür gibt es die zwar in der App nicht verzeichnete, aber schon seit DDRZeiten bestehende Anlage unter der Kunsthalle am Theaterplatz immer noch. Rein kommt man allerdings nur mit passender 50Cent-Münze. Laut WeimarSprecherin Mandy Plickert gilt dies für alle sieben öffentlichen Toiletten der Klassikerstadt.
Eine feste Regel für Thüringens Einkaufsmärkte konnten wir diesbezüglich nicht ausmachen. So musste jüngst eine Kundin im neuen Edeka-Markt am Binderslebener Knie in Erfurt nach dem Hinweis, man verfüge über keine Kundentoilette, unverrichteter Dinge weitersuchen. Auf Nachfrage in der Edeka-Zentrale in Rottendorf sagt Vorstandssprecherin Stefanie Schmidt, es sei nicht bekannt, „dass in einem unserer Märkte keine Kundentoiletten vorhanden wären“. Allerdings befänden sich viele Märkte in privater Hand und damit in deren Zuständigkeit. Anders bei Kaufland: Für deren Märkte erklärt Sprecher Andreas Kübler, dass Kundentoiletten quasi in allen eigenen Filialen zum Service gehören.
Hohe Kosten durch Vandalismus und Graffiti
Die größte Vielfalt in Sachen Toiletten gibt es entlang der Autobahnen. Die Palette reicht vom Dixi-Plumpsklo bis zu den Sanitärwelten in Raststätten und Autohöfen. So betreibt etwa die Firma Via Solution in Westthüringen zwei Gratis- Toilettenanlagen an den neuen A4-Parkplätzen Hainich Nord und Süd. Beide würden täglich gereinigt, versichert Mandy Prager von der Geschäftsleitung.
Beim großen Raststätten-Betreiber Tank & Rast mit 16 Standorten in Thüringen setzt man dagegen auf das WertbonSystem von Sanifair. „Für Behinderte und Kinder ist die Benutzung kostenlos“, sagt Öffentlichkeitschef Andreas Rehm. Service, Qualität und Hygiene hätten oberste Priorität. WCBrillen würden nach jeder Nutzung automatisch gereinigt. Berührungslos funktionierende Armaturen, Seifenspender, Handdesinfektions- und Papierhandtuchspender trügen zu größtmöglicher Hygiene bei.
Auf ein Problem verweisen fast alle öffentlichen Toilettenbetreiber: Durch Vandalismus, Graffiti und Aufkleber, gehäuft vor allem nach Fußballspielen, entstünden immer wieder hohe Kosten. Hinzu komme die unsachgemäße Nutzung der Toiletten. „Wöchentliche Verstopfungen sind die Regel“, sagt Mandy Prager von Via Solution. So führt dann selbst eine vorhandene Toilette eher zum Ernstfall denn zur Erleichterung.