Das Wesen der Klezmermusik: Lebensfroh und ausgelassen
Das Erfurter Klezmerorchester besteht seit 2015 und hat heute 80 Mitglieder. Am Freitag Konzert in der Lutherkirche
Erfurt. Die zündende Idee entstand bei einem Workshop 2014 in Bayern. Johannes Gräßer , Berufsmusiker, arbeitete damals mit einem Klezmerorchester. Warum nicht auch in Erfurt, fragte er sich. Und nahm den Gedanken mit nach Hause. Gräßer warb und stieß auf nicht wenig Resonanz. So wurde im Januar 2015 das Klezmerorchester Erfurt gegründet. Mit rund 20 Musikern. Inzwischen sind es 80.
Die Klezmermusik befand sich viele Jahre im Schatten der Stile. Was an der Historie lag. „Klezmer ist eine Festmusik aus Osteuropa, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vornehmlich von Juden gespielt wurde“, erklärt Johannes Gräßer. 1880 setzte die große Auswanderungswelle der Juden gen USA ein. Die Klezmermusik zog mit und etablierte sich dort schnell, ebbte aber in der Zwischenzeit wieder ab. In Europa, vor allem wegen des Holocausts, starb Klezmer weitgehend aus.
In den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts zog die Konjunktur wieder an. Klezmer war wieder in. „Was zu großen Teilen an den Enkeln jener Auswanderer lag, die die Musik einst mit nach Amerika gebracht hatten“, so Gräßer. Und auch in Europa fasste die aus dem aschkenasischen Judentum stammende Volksmusiktradition wieder Fuß. Mit zwei herausragenden Akteuren – Jalda Rebling, die ihr Auftrittsgebiet vorwiegend in der DDR hatte. Und Giora Feidman, der als eine Art KlezmerGalionsfigur vor allem im Westen große Popularität genoss.
Mit Feidmans Art, den Klezmer zu intonieren, kann Johannes Gräßer aber eigentlich nicht so viel anfangen. „Die weinende, traurige Klarinette entspricht für mich nicht dem Wesen des Klezmer“, sagt er. Der fände seine Entsprechung vielmehr in einer lebensfrohen, ausgelassenen Art des Musizierens. Und genau diese Art versuche das Erfurter Klezmerorchester den Zuhörern zu vermitteln. Und man scheut sich auch nicht, von der klassischen reinen Lehre abzuweichen und andere Stilarten – russische und slawische Folklore, Balkanmusik, Jazz und auch Blues – mit einfließen zu lassen.
Am Anfang war ein kleiner Zeitungsartikel
Die Orchesterfindung gelang 2014 über einen kleinen Zeitungsartikel. Der große Zuspruch ermunterte, bereits im Januar 2015 die erste Probe anzusetzen. Man traf sich fortan wöchentlich einmal zur Probe. Die ungarische Akkordeonistin Szilvia Csaranko übertrug von Anfang an Noten alter Klezmeraufnahmen und arrangierte sie für das Orchester neu. Es kamen Musiker, Semiprofessionelle, Laien und fanden so schnell und so gut zusammen, dass bereits im März das erste Konzert gegeben wurde. „Es hat von Anfang an sehr gut funktioniert“, sagt Gräßer, der gebürtige Greizer, der seit 1999 in Erfurt lebt.
Das Ensemble umfasst Musiker zwischen 16 und 70 Jahren, von denen rund ein Drittel aus allen Gegenden Deutschlands kommen. Der Student ist im Orchester ebenso zu finden, wie der Ruheständler, der Schüler probt und musiziert Seite an Seite mit Gleichgesinnten, die in allen möglichen Branchen und Bereichen im Berufsleben stehen. Um einmal im Jahr alle unter einen Hut zu bekommen, hat Johannes Gräßer Wochenendworkshops in Erfurt, jeweils im Januar, ins Leben gerufen. Der Zuspruch sei enorm, sagt er.
Und weil das Projekt so wunderbar läuft, stehen zwei Mal jährlich Klezmerkonzerte auf dem Plan. Zuletzt im vorigen Jahr, als man im Rahmen der jüdisch-israelischen Kulturtage im Zughafen vor über 1000 Zuhörern auftrat.
Das nächste Konzert findet im Rahmen des Kirchentages am morgigen Freitag um 20 Uhr in der Lutherkirche (Magdeburger Allee) statt. Mit Jalda Rebling kommt an diesem Abend neben anderen Akteuren auch eine ganz prominente Klezmersängerin nach Erfurt, die beim Konzert für die sängerischen Soloparts gewonnen werden konnte.
2018 ist übrigens ein Doppelkonzert sowohl in Erfurt (21. April) als auch in Leipzig (5. Mai) anlässlich des 75. Jahrestages des Aufstands im Warschauer Ghetto geplant.
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Konzert des Klezmerorchesters Erfurt beim Kirchentag, Freitag, . Mai, Uhr, Lutherkirche;
Tickets an der Abendkasse