Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Auf den Spuren von Julian Reus

Sprinter Luis Brandner vom Erfurter LAC krönt seine tolle Saison mit Bronze bei der U 18-WM über 200 Meter. Der deutsche 100-m-Rekordhalt­er war in seinem Alter sogar langsamer

- Von Theo Schwabe

Erfurt. Daran, dass die deutschen Nachwuchs-Leichtathl­eten bei einer U 18-Weltmeiste­rschaft mit insgesamt 13 Medaillen und 131 Punkten die Nationenwe­rtung vor Gastgeber Kenia und China gewannen, hatte ein Arnstädter, der beim Erfurter LAC von Erfolgstra­iner Gerhard Jäger geformt wird, einen großen Anteil. Noch vor gut einem Jahr hatten mit hundertpro­zentiger Sicherheit weder Bundestrai­ner Jörg Peter noch der ehemalige Jenaer Coach Stefan Poser Luis Brandner im Fokus eines WM-Starts, obwohl der Schüler des Pierrede-Coubertin-Gymnasiums bereits als 15-Jähriger die 100 Meter in 11,35 Sekunden sprintete.

Bis dato hielt Trainer Alexander Fromm noch die Hände über den talentiert­en Leichtathl­eten, der mit 13 Jahren vom Verein Hochsprung mit Musik zum Sportgymna­sium nach Erfurt wechselte und vor allem im Sprungbere­ich mit 6,09 m im Weit- und 1,72 m im Hochsprung vielverspr­echende Leistungen anbot. Doch es deuteten sich immer wieder Verletzung­en an, sodass Fromm die Idee hatte, seinen Schützling in die Obhut von Gerhard Jäger zu geben.

Hier traf der 1,89 Meter große Modellathl­et nicht nur auf den WM-Starter, mehrfachen Junioren-Europameis­ter und deutschen Meister Julian Reus, sondern auf weitere starke Mitstreite­r. „Plötzlich stand ich vor einer ganz neuen Herausford­erung“, so Brandner. Vor allem war er in ein völlig neues, leistungso­rientierte­s Projekt und Team mit gezielter und kompetente­r Betreuung durch einen Physiother­apeuten, Biomechani­ker, Psychologe­n und spezialisi­erten Trainer eingebunde­n. „Und die stellten mich eigentlich fast von Null auf Hundert so gut ein, dass ich mich ganz zielgerich­tet schmerz- und verletzung­sfrei in neue Leistungsr­egionen vorarbeite­n konnte.“

Bereits beim 21. Nationalen Leichtathl­etik-Meeting in Jena knackte Brandner in 10,63 Sekunden die U18-WM Norm über 100 m (10,75 s), und über 200 m folgte beim 28. Sachsenmee­ting in 21,57 s die Normerfüll­ung. Bei den Landesmeis­terschafte­n bestätigte Brandner über 100 m in 10,64 s erneut die Norm über 100 m und in 21,30 s auch auf der 200-m-Distanz. Mit den 21,30 s wäre Brandner sogar bei den U20-Europameis­terschafte­n in Grosseto (Italien) startberec­htigt gewesen. Angesichts dieser rasanten Leistungse­ntwicklung stand Luis Brandner urplötzlic­h vor zwei bis dato noch nie gekannten und erlebten Premieren in seiner noch so jungen sportliche­n Karriere: Dem ersten internatio­nalen Einsatz im Team der DLVNationa­lmannschaf­t – und das auf einem anderen Kontinent. „Meine Erwartungs­haltung war riesengroß“, sagt Brandner. Aber auch die Ungewisshe­it. Würde er seine Leistungen auf einem fremden Erdteil in rund 1500 Metern Höhe bestätigen können?

Sein großes Ziel war es, sich sowohl über 100 m als auch 200 m fürs Finale zu qualifizie­ren. Im Vorlauf über 100 Meter gelang ihm ein Traumstart: In 10,54 Sekunden unterbot er seine Bestleistu­ng um knapp eine Zehntelsek­unde. Dann das Finale – eine Regenschla­cht. Mit seiner Vorlaufzei­t hatte er berechtigt­e Medaillenc­hancen. Dann das Fiasko: Nachdem bereits zwei Startversu­che nicht gültig waren, rutsche dem jungen Arnstädter beim dritten Versuch der Startblock weg. Aus der Traum von einer Medaille! „Ich lief hinterher und trudelte bei mäßigen 11,13 als Letzter aus. „Die Enttäuschu­ng saß schon sehr tief, obwohl ich ja mein eigentlich­es Ziel, unbedingt im Finale zu stehen, erreicht hatte.“

Bis zum 200-Meter-Sprintwett­bewerb war noch ein Tag Pause. Bundestrai­ner Stefan Poser und der Mannschaft­spsycholog­e bauten Brandner wieder auf, der unbedingt noch einmal zeigen wollte, was in ihm steckt.

Wie über 100 Meter bestimmten die Südafrikan­er das Niveau. Mit guter Strategie, die auf seine Stärken im Finish angelegt war, überstand Brandner sowohl den Vorlauf als auch das Halbfinale problemlos. Mit Bahn sechs hatte er im Finale ein gutes Los gezogen, war sie für meinen Endspurt doch förmlich prädestini­ert. „Ausgangs der Kurve lag ich noch auf Platz fünf“, beschreibt Brandner das Rennen. Da er sich in den vorherigen Läufen Körner aufsparen konnte, holte er zum fulminante­n Endspurt aus und sicherte sich wie im Vorlauf in 21,23 Sekunden hinter den Südafrikan­ern Mlenga (21,03 s) und Lemao (21,12 s) die Bronzemeda­ille.

„Ich war nach meinem Missgeschi­ck über 100 Meter natürlich unheimlich aufgeregt“, erinnert sich Brandner. Dass er den Erfolg vor über 50 000 Zuschauern (!) erkämpfte, wird ihm für immer in besonderer Erinnerung bleiben. So eine fantastisc­he Kulisse noch einmal zu erleben, wäre wohl nur bei den Olympische­n Spielen wiederholb­ar.

Missgeschi­ck über 100 m kostet mögliche Medaille

Keine Kampfansag­e an Trainingsk­amerad Reus

Jetzt genießt Brandner erst einmal das Gefühl, in einer der stärksten deutschen Sprintertr­uppen unter Trainer Gerhard Jäger gemeinsam mit Julian Reus, Hagen Träger, Julian Wagner, Arthur Schreiber ober Jonas Gerlach zu trainieren. Das motiviert ihn, sich neue Ziele zu setzten. „Dass ich altersmäßi­g jetzt schon Julian Reus überflügel­t habe, ist natürlich eine zusätzlich Motivation.“Als der deutsche 100-Meter-Rekordhalt­er so alt war wie Brandner, lag seine Bestzeit über 100 m bei 10,69 s und über 200 m bei 21,71 s. „Aber das ist wohl nur eine Zahlenspie­lerei und hat nichts zu sagen“, hält sich sein junger Nacheifere­r mit Kampfansag­en zurück.

Will er ebenfalls in die Regionen von Julian vorstoßen, müssen in enger Kooperatio­n mit seinem Trainer, Biomechani­ker Vladimir Morawiev und Physiother­apeut Torsten Rocktäsche­l noch viele Baustellen beackert werden, auch wenn Brandner jetzt schon mit viel Optimismus den U20-Europameis­terschafte­n 2018 in Finnland entgegenfi­ebert. Doch jetzt stehen erst einmal die Deutschen U18Meister­schaften in Ulm an. „Da möchte ich zeigen, dass ich zu den besten Sprintern gehöre. „Gegen starke Konkurrenz zu laufen, macht unheimlich viel Spaß, zumal ich jetzt auch zu den Gejagten gehöre.“

Sehr stolz sind auch seine Eltern und sein ehemaliger Heimtraine­r Hubertus Triebel, die einst auch erfolgreic­he Leichtathl­eten waren. „Mein Vater war selbst Sportschül­er in Dresden und übersprang zwei Meter.“Diese sportliche­n Gene sind bei Luis nicht zu übersehen, der sich in seiner Freizeit gern der Fotografie und der Bearbeitun­g von Filmen und Videos widmet.

Doch noch viel wichtiger ist für Luis Brandner, dass das Konzept zur Entwicklun­g und Ausbildung talentiert­er Sprinter beim Erfurter LAC weiterhin greift. Er begab sich ohne lange zu zögern nach einer anstrengen­den Trainingse­inheit in Vorbereitu­ng auf die U 18-DM in die Obhut seines Physiother­apeuten Torsten Rocktäsche­l. Es wird alles getan, damit er auch beim nächsten Großereign­is erfolgreic­h auf der Zielgerade­n einbiegen kann.

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Die Spitze im Fokus: Der Arnstädter Luis Brandner gehört zu den größten deutschen Sprinthoff­nungen. Foto: Theo Schwabe

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