Zehn Jahre aufregend anders
Begegnungszentrum und Tagesstätte vom Jesus-Projekt steht kurz vor dem Jubiläum
Roter Berg. Ein „ziemlich schlimmer Junge“sei er gewesen, räumt Andreas Müller ein, lernte bereits die JVA (Justizvollzugsanstalt) von innen kennen. Jetzt, mit 33 Jahren, hoffe er, sein Leben in den Griff zu bekommen. Er nimmt am Vorhaben „Schwitzen statt Sitzen“teil, um im Jesus-Projekt am Roten Berg seine fast 1000 Sozialstunden abzuleisten und nicht noch einmal „in den Bau“einziehen zu müssen. Dabei sei ihm bewusst, dass er die Zügel nicht wieder schleifen lassen dürfe. Sonst müsse er damit rechnen, von dort abgemeldet zu werden.
Ähnlich ergeht es Katja Trautvetter. Immerhin 800 Sozialstunden muss die werdende Mutti, die bereits einen siebenjährigen Sohn hat, aufwenden. Ein Teil der noch zu erbringenden Sozialstunden bleibt für die Zeit nach dem Mutterschutz. Die beiden jungen Leute gehören zu den rund 35 Teilnehmern des Straffälligenprojektes, die jährlich in der Tagesstätte des Begegnungszentrums „Anders“im Alfred-Delp-Ring angeleitet und betreut werden und sich vom dortigen Team gut aufgenommen fühlen. Ähnlich ergeht es Menschen mit vielseitigen sozialen Problemen, darunter Suchtkranke, die im Jesus-Projekt der Diakonie eine Gemeinschaft finden, die ihnen Halt gibt. Kurz vor dem zehnjährigen Bestehen des Begegnungszentrums „Anders“im August lud das Team um Michael Flügge zu einem ersten Pressegespräch ein, um für das Jubiläum zu werben.
Dabei macht der Leiter des Jesus-Projekts keinen Hehl daraus, dass er den verhängnisvollen Kreislauf aus Drogenmissbrauch, Beschaffungskriminalität, Depression und Todessehnsucht aus eigener bitterer Erfahrung kennt und sich in die Nöte der Betroffenen hinein versetzen kann.
Am Ende seiner Kräfte seien ihm Christen „über den Weg gelaufen“, mit denen er zunächst auch nichts anzufangen gewusst habe, bis ihm beim Studium des Alten Testaments eines Tages bewusst geworden sei, dass von dieser Seite her Hilfe kommen könnte. Immerhin lebe er nun schon 20 Jahre frei von Sucht und Drogen, scharte um sich ein Team, das sich als sozialer Anlaufpunkt für Menschen versteht, die auf der Verliererseite stehen. Angefangen beim montäglichen sogenannten PromiEssen, das für jedermann offen steht, über Freizeitangebote wie „Anders-Tours“mit Ausflügen in die nähere oder weitere Umgebung, organisiert vom Ehrenamtler Jochen Erlmeyer bis zu Streetwork-Arbeit reicht das Spektrum.
Vor zwei Jahren nahm ein neues Vorhaben Gestalt an: Bärenstark. Neben der monatlichen Bärenstark-Party bildet ein Mentoren-Programm für Kinder aus sozial schwachen Familien und deren Eltern den Kernpunkt. Über ein Jahr lang kommen Kinder einmal in der Woche für zwei bis drei Stunden in den Genuss einer besonderen Förderung, wobei deren Talente erkundet und ausgetestet werden. Fünf Sozialarbeiter werden ab dem Sommer für „Bärenstark“tätig sein, unterstützt von 30 ehrenamtlichen Kräften.
Michael Flügge verweist darauf, dass sich das Begegnungszentrum „Anders“vorwiegend auf Spenden stützt. Allein im vorigen Jahr flossen 100 000 Euro aus privaten Händen, noch einmal die gleiche Summe kam aus Stiftungs- und Fördergeldern sowie 2500 Euro von der Stadt.
In Ortsteilbürgermeister Rolf Schacht fand das Team regelmäßig Unterstützung, so weit das die Kräfte erlaubten. Viele Vorhaben am Roten Berg werden gemeinsam gestemmt, angefangen beim Sommerfest des Stadtteils einschließlich des Sponsorenlaufs über den Faschingsumzug bis zum Martinstag.