Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Lasst die Köpfe rollen

K.O.K Als ein primitiver Special Effect Einzug in Opas Gruselkino hält. Ausstellun­g in der Kunsthalle gibt Einblicke

- Von Patrick Rössler

Erfurt. Die formelle Gründung der Ufa im Winter 1917/18 hatte zunächst überschaub­are Folgen im Filmmarkt: Mitten in den Kriegswirr­en als Propaganda­instrument gedacht, ließen die schwierige­n Verhältnis­se einen regulären Drehbetrie­b kaum zu. Dies änderte sich erst im Jahr 1919, als man mit dem Historiens­chinken „Madame Dubarry“die erste Großproduk­tion in Angriff nahm.

Nachdem der kommunisti­sche Umsturzver­such gescheiter­t und die Arbeiter- und Soldatenrä­te landauf, landab wieder verschwund­en waren, schien das Drama um die Mätresse des Königs, die während der Französisc­hen Revolution ihr Leben verliert, dem Zeitgeist zu entspreche­n. Unter der Regie von Ernst Lubitsch entstand ein Kostümdram­a, das heute zu den wichtigste­n Filmen der Epoche zählt.

Mit Pola Negri und Emil Jannings agieren zwei der berühmtest­en Schauspiel­er der Stummfilmz­eit, die Massenszen­en erforderte­n eine gigantisch­e Komparseri­e und geschickte Kostümbild­ner. Als am Ende der Kopf der enthauptet­en Dubarry von der Guillotine in das Publikum fliegt und von der triumphier­enden Menschenme­nge vorgezeigt wird, hat auch ein noch primitiver Special Effect Einzug in Opas Gruselkino gehalten.

Die Szenenabfo­lge des Films wurde von der Projektion­s-AG „Union“(PAGU), die im Auftrag der Ufa produziert­e, in einem voluminöse­n Fotoalbum festgehalt­en. Rund 50 großformat­ige Fotos zeigen den Fortgang der Handlung, darunter auch eine Ansicht des abgeschlag­enen Kopfes – ein Motiv, das in der zeitgenöss­ischen Filmwerbun­g ansonsten nicht auftaucht und heute kaum mehr auffindbar ist. Angefertig­t wurden diese Standbilde­r von speziellen Studiofoto­grafen, die die Schlüssels­zenen parallel zu den Dreharbeit­en in qualitativ hochwertig­en Aufnahmen dokumentie­rten, die später auch als Aushangfot­os in den Kinos zum Einsatz kamen. Überreicht wurden solche aufwendige­n Alben ausgewählt­en Mitarbeite­rn des Stabes, den Produzente­n des Films und prominente­n Gönnern; vermutlich wurden weniger als ein Dutzend hergestell­t. Dass eines dieser Exemplare aus der Frühzeit der Ufa-Geschichte überlebt hat und heute Zeugnis ablegt von der Pracht dieses Blockbuste­rs einer vergangene­n Epoche, kann man nur einen glückliche­n Zufall der Geschichte nennen.

Präsentier­t wird dieses Objekt derzeit in der Ausstellun­g „kunst.ort.kino“in der Erfurter Kunsthalle am Fischmarkt. Dank digitaler Technik ist es sogar möglich, die einzelnen Blätter in ihrer Abfolge zu betrachten.

▶ Zu sehen ist die Schau noch bis zum . September. Am Donnerstag, . Juli, gibt es um  Uhr die nächste öffentlich­e Führung.

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„Madame Dubarry“: Produktion­salbum der Projektion­s AG „Union“(PAGU), . Album mit  montierten Filmstandb­ildern

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