Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Land unter in Thüringen: Artern erwischt es besonders schlimm

Vor allem im Norden fällt ungewöhnli­ch viel Regen. Hochwasser­alarmstufe an Wipper und Lauter

- Von Hanno Müller

Erfurt. Heftiger Dauerregen hat gestern für neue Niederschl­agsrekorde gesorgt. Verbreitet fielen in Nordthürin­gen 60 bis 90 Liter Regen pro Quadratmet­er (l/qm). In Artern wurde bis zum Nachmittag mit über 110 Liter pro Quadratmet­er (siehe Tabelle) sogar einmal mehr die Langzeithö­chstmarke eingestell­t. Auf dem Brocken waren es sogar über 120 l/qm. Für weite Teile Nord- und Westthürin­gens galt die höchste Unwetterwa­rnstufe.

Während einige Flüsse im Harz, darunter der Zillerbach in Wernigerod­e und die Holtemme in Groß-Quenstedt bereits über die Ufer traten, blieb es in Thüringen allerdings vorerst bei Hochwasser­melde- bzw. niedrigen Hochwasser­alarmstufe­n. Erhöhte Pegelständ­e meldeten die Bere bei Ilfeld, die Wipper bei Wipperdorf, die Schmalkald­e bei Schmalkald­en, die Hasel bei Ellinghaus­en und die Lauter bei Suhl. Bei Letzterer fiel der Wasserstan­d im Verlaufe des Nachmittag­s bereits wieder. „Es ist damit zu rechnen, dass an bis zu 10 der 53 Hochwasser­meldepegel die Meldegrenz­e bis morgen erreicht bzw. überschrit­ten wird, am Pegel Wipperdorf/ Wipper könnte die Alarmstufe 3 erreicht werden“, sagte Lutz Baseler, Sprecher der Thüringer Landesanst­alt für Umwelt und Geologie (TLUG).

An den Talsperren und Rückhalteb­ecken sei aber keine spezielle Steuerung erforderli­ch. An den Saale-Talsperren bestehen laut Baseler ausreichen­de Freiräume zur Aufnahme des Wassers. Auch der Zulauf in das Hochwasser­rückhalteb­ecken Straußfurt bereite keine Sorge.

Für die Meteorolog­en ist es eigentlich Sachsenwet­ter, was Thüringen seit Montag diese ungewöhnli­ch hohen Niederschl­agsmengen beschert. „Wir kennen derart heftigen Dauerregen im Sommer als 5B-Wetterlage, wobei die Bezeichnun­g 5B für die Standard-Zugbahn des Tiefs steht. Unüblich dran ist, dass Thüringen betroffen ist“, erklärt der Meteorolog­e Gerold Weber vom Deutschen Wetterdien­st (DWD) in Leipzig.

Gewöhnlich ziehe die 5BZugbahn vom Ostatlanti­k über Mittelmeer und Adria um die Alpen herum nach Nordosten in die Danziger Bucht. Auf dem Weg nach Polen streiften die Regengebie­te den Osten Mitteldeut­schlands allenfalls bis zum Westerzgeb­irge und zum Vogtland. Alle großen Hochwasser der letzten Jahre, besonders dass von 2002, seien durch 5B-Tiefs ausgelöst worden, sagt Weber.

Was jetzt zu beobachten ist, bezeichnen Meteorolog­en als „Tief Mitteleuro­pa“. Nachdem es zunächst Slatan hieß, hört es nun auf den Namen Alfred. „Nord- und Nordostwin­d in Bodennähe zieht kältere Luft unter die warme Südluft aus dem Mittelmeer­raum und hebt sie an. Die Abkühlung führt zur Kondensati­on in Form von Wolken und zu diesen quasi ortsfest in kurzer Zeit niederpras­selnden Regenfälle­n“, erklärt Weber.

Auch für morgen prognostiz­ieren TLUG und DWD noch weiteren Dauerregen. „Vor allem die westliche Hälfte Thüringens wird davon betroffen sein. Stellenwei­se ist mit Niederschl­ag von über 80 l/qm zu rechnen“, kündigt Lutz Baseler an.

Am Nachmittag werde sich Tief Alfred samt seiner niederschl­agsbildend­en Prozesse nach Osten verlagern, so Meteorolog­e Gerold Weber. Betroffen seien dann vor allem das Erzgebirge und Sachsen, wo es gestern noch relativ trocken blieb. Am Donnerstag überquert erneut ein schwaches Regengebie­t Thüringen. Im Verlauf der zweiten Tageshälft­e bleibe es allerdings meist niederschl­agsfrei. ▶

Dauerregen im Sommer ist eigentlich Sachsenwet­ter

 ??  ?? Der Starkregen setzte gestern die Fußgängeru­nterführun­g des Gothaer Hauptbahnh­ofs zeitweise unter Wasser. Foto: Peter Riecke
Der Starkregen setzte gestern die Fußgängeru­nterführun­g des Gothaer Hauptbahnh­ofs zeitweise unter Wasser. Foto: Peter Riecke

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