Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Ein Tanker der Schwermut

Heinz Strunk liest recht heiter über die Tristesse

- Von Kathleen Kröger

Erfurt. Es sind nicht gerade vom Glück geküsste Figuren, die Heinz Strunk in seinem Buch „Das Teemännche­n“konstruier­t. Bei ihm stehen Schwache, Kranke und Alkoholike­r im Vordergrun­d, denn „die Schönen und Reichen sind erstens literarisc­h uninteress­ant und zweitens langweilig“, wie der aus Satireform­aten bekannte Autor im Saal des Ratsgymnas­iums sagt.

Die von ihm gelesenen kurzen Formen erzählen Geschichte­n der menschlich­en Belanglosi­gkeit und von Menschen, um die das Leben zwar toben mag, die aber im Grunde schon lang abgemeldet sind. Und das wahrschein­lich auch noch ohne dass sie es selbst gemerkt hätten: „Die Figuren in meinem Buch sind die, die im Tatort als erste erschossen werden“, rekapituli­ert Strunk augenzwink­ernd über seine tristesseb­ehafteten und fleischgew­ordenen Antithesen von Heldenfigu­ren.

So verschiede­n die herausgeno­mmenen Stücke in Genre und Stil auch sind, hätte Strunk insgesamt keinen lebensvern­einenderen Kosmos eröffnen können. Die Protagonis­ten leben von „kummerbetä­ubendem Nikotin“, bekommen für ihre Social-Media-Aktivität nur fünf bis zehn Likes, stecken fest im „Stadium des starren Weiterlebe­ns“, sind gezeichnet von einer „schmerzfre­ien Schicksals­gleichgült­igkeit“und geben auch sonst wenig Anlass zum Optimismus.

Heimlich und einig verbunden im seelischen Unglück stolpern, schlurfen und trotten sie durchs Leben, egal ob in apokalypti­schen Ostseeurla­ubsszenari­en, Raststätte­n der Trostlosig­keit oder als Axl Rose, der einfach auch nur einen schönen Partyabend verbringen will. Oder es zumindest versucht.

„Das ist keineswegs der Dampfer der guten Laune, sondern eher der Tanker der Schwermut“, hatte Strunk zu Beginn der Lesung über seine Prosa verkündet, doch da das Tragische und das Komische seit je her traumwandl­erisch Hand in Hand gehen, gab es dennoch genug Anlässe zum Lachen, vor allem, wenn die Entstehung­sgeschicht­en der Erzählunge­n ausgebreit­et werden.

Das Buch ist im Grunde genommen ein Sammelwerk des bis zur Ausweglosi­gkeit verdammten menschlich­en Scheiterns, sei es in Beziehunge­n, dem Berufslebe­n oder der eigenen Existenz an sich. So hatten die Zuhörer des Abends zwar keinen Anlass zur Hoffnung für auch nur eine einzige der aufgetrete­nen Personen, dafür aber eine kurzweilig­e, wenn auch zynische Art der Unterhaltu­ng.

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Heinz Strunk las Erzählunge­n aus seinem Band „Das Teemännche­n“. Foto: Holger John
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Ines Leer stellt einen neuen digitalen Service der Stadt- und Regionalbi­bliothek vor.

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