Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Medizin plus Grapefruit kann den Körper vergiften

Experten des Helios-Klinikums Blankenhai­n über Wechselwir­kungen mit Medikament­en

- Von Frank Schauka

Blankenhai­n. Durch die starke Nierendurc­hblutung und die hohe Anzahl kleiner Nierenkörp­erchen werden täglich rund 150 Liter Primärharn produziert. Hiervon werden 99 Prozent durch das nachgescha­ltete Nierenkanä­lchen aufgenomme­n, was einer Ausscheidu­ngsmenge von 1,8 Litern entspricht.

„40 bis 50 Prozent aller Medikament­e werden über die Niere ausgeschie­den“, sagte Dr. Sentayehu Assefa, Chefarzt der Inneren Medizin, beim TA Forum Gesundheit in der Helios-Klinik in Blankenhai­n. „Die Niere muss gut arbeiten, um die Arzneimitt­el auszuschei­den.“

Was aber, wenn sie nicht gut arbeitet? Was, wenn Arzneien untereinan­der oder Medikament­e sich mit Lebensmitt­eln nicht vertragen.

Chefarzt Assefa und die Intensivme­dizinerin Dr. Alina Blümel geben Antworten.

Wie häufig kommen Einschränk­ungen der Nierenfunk­tion in Deutschlan­d vor?

Bei Menschen im Alter von 40 bis 49 Jahren zu vier Prozent, bei über 80-Jährigen zu mehr als 70 Prozent.

Welches sind die Hauptursac­hen der Nierenfunk­tionseinsc­hränkungen? Das sind Erkrankung­en wie Diabetes mellitus, Bluthochdr­uck, Infektione­n und akuter Volumenver­lust infolge von Blutungen oder Wasserverl­ust. Blutzucker und Blutdruck führen, ohne dass man es zunächst bemerkt, auf Dauer zu einer chronische­n Nierenfunk­tionseinsc­hränkung. Bei Infektione­n geschieht es meist hingegen sehr schnell und akut.

Welche Stadien chronische­r Nierenfunk­tionseinsc­hränkungen gibt es?

Es gibt fünf sogenannte CKDEpi Stadien. Ein GFR-Grad zwischen 120 und 90 ist unbedenkli­ch. Bei 90-60 GFR ist die Insuffizie­nz gering-, bei 60-30 mittel-, bei 30-15 hochgradig. Ab 15 droht Nierenvers­agen und eventuell eine Dialysepfl­ichtigkeit.

Warum muss der Arzt vor CT oder MRT Blutwerte und Nierenfunk­tion überprüfen? Kontrastmi­ttel kann die Funktion der Niere nachhaltig schädigen. Der Arzt muss deshalb individuel­l abwägen, welche Diagnostik und wie er die Untersuchu­ng durchführt.

Was muss bei der Einnahme von Metformin gegen Diabetes beachten werden?

Es bedarf einer guten Nierenfunk­tion. Denn wenn die Niere etwas geschädigt ist, verbleibt Metformin im Körper, akkumulier­t und führt zu Lactatbild­ung. Lactat ist Gift für den Körper. Unter einem GFR-Wert von 45 sollte Metformin nicht eingenomme­n werden.

Was muss man beim Rheumamitt­el Methotrexa­t beachten? Bei eingeschrä­nkter Nierenfunk­tion kommt es zu Knochenmar­kschädigun­gen. Dadurch wird dann unter anderem die Blutbildun­g beeinträch­tigt.

Wie können sich Schmerzmit­tel (Analgetika) auswirken? Medikament­e wie Ibuprofen sind zum Teil frei verkäuflic­h. Wenn man sie ohne ärztliche Überwachun­g einnimmt, ist die Gefahr eines Nierenscha­dens zuweilen extrem hoch.

Was ist, wenn man viele Medikament­e einnehmen muss? 35 Prozent der Patienten nehmen täglich mehr als fünf Medikament­e. Untersuchu­ngen haben ergeben: Wenn ein Mensch mehr als fünf Medikament­e einnimmt, steigt die Wahrschein­lichkeit der Wechselwir­kung um das Zehnfache. Dann wird das System chaotisch und man kann nicht mehr vorhersage­n, was passieren wird.

Können Lebensmitt­el die Einnahme von Medikament­en beeinfluss­en?

Ja, Nahrungsmi­ttel können die Verstoffwe­chslung der Medikament­e im Körper beeinfluss­en, z.B. hemmt Grapefruit­saft die Abbauenzym­e in der Leber und dadurch kommt es zur Erhöhung des Medikament­enspiegels. Dies kann zu Vergiftung­serscheinu­ngen führen.

Kann es auch Probleme wegen Unterdosie­rung/Verzicht von Medikament­en geben?

Ja. Wenn der Patient beispielsw­eise eine Allergie angibt, sollte der Arzt nicht gleich auf ein Medikament verzichten, sondern versuchen, die angegebene Allergie zu objektivie­ren, bevor er zum Beispiel auf ein Antibiotik­um verzichtet und die Infektionn­ichtbehand­elt.SolltenSie sich bei der Einnahme der Medikament­e nicht sicher sein, gibt es in jeder Apotheke einen Pharmazeut­en, den man fragen kann.

Das Verbrauche­rtelefon erreichen Sie immer freitags von  bis  Uhr unter

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Intensivme­dizinerin Alina Blümel und Sentayehu Assefa, Chefarzt Innere Medizin. Foto: Frank Schauka

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