„Die Wahrheit der Wissenschaft ist in Gefahr“
Der scheidende Rektor der Weimarer Bauhaus-universität Prof. Karl Beucke kritisiert Forderungen an die Hochschulforschung nach immer mehr Praxis-rentabilität
Weimar. „Universitäten sollten frei forschen können. Der praktische Nutzen steht für mich an zweiter Stelle.“Das sagt Prof. Karl Beucke, seit 2011 Rektor der Bauhaus-universität. Davor prägte er viele Jahre die Forschung an der Weimarer Hochschule maßgeblich mit. Demnächst geht er in den Ruhestand.
Forschung müsse ein Wert von allgemeiner, grundsätzlicher Bedeutung sein und dürfe nicht von Interessen anderer bestimmt werden. Es sei unumstritten, dass mit wissenschaftlichen Erkenntnissen Entwicklungen in Unternehmen in Gang gebracht und gefördert werden können. Insofern sei die Bedeutung einer Universität für den Standort nicht zu unterschätzen und keinesfalls nur wirtschaftlich zu messen.
So kommt nach Meinung von Beucke etwa der kulturwissenschaftlichen Medienforschung an der Bauhaus-universität große gesellschaftliche Bedeutung zu. „Wohin es führt, wenn wir den technologischen Wandel einfach über uns ergehen lassen, sieht man am nie für möglich gehaltenen Einfluss, den Google, Facebook oder Twitter auf das Leben vieler haben. Nötig ist eine kritisch-reflektierende Begleitung, das erfordert Sachkunde und ein tiefes Einsteigen“, sagt der Bauinformatiker.
Druck von außen auf die Unis wird laut Beucke auch durch Finanzierungsmodelle erzeugt. „Das Land vergibt Mittel primär nach der Anzahl der Studierenden und nach der Höhe der Drittmittel. So werden mit falschen Wachstumsanreizen eher schädliche Fehlentwicklungen unterstützt“, klagt Beucke. Universitäten würden dazu gedrängt, immer mehr Studierende aufzunehmen. Die Forderung nach mehr Forschung führe dazu, dass Fachhochschulen, die vorher primär mit der Wirtschaft zusammenarbeiteten, sich den Universitäten annähern. „Damit werden zwei sich gut ergänzende Profile aufgegeben zugunsten eines fatalen Mischprofils“, sagt der Rektor.
Für falsch hält Beucke auch den Zwang der Hochschulen, sich mehr und mehr über Drittmittel zu finanzieren. An der Bauhaus-uni mache dies ein Drittel aus, bei anderen tendiere das Verhältnis zu 50:50. „Das ist ein ungesunder Zustand, der zu Interessenkonflikten führt“, findet der Weimarer. Zu fragen sei, ob nicht die Unabhängigkeit drittmittelfinanzierter Professoren eingeschränkt wird.
Bei der Einwerbung von Drittmitteln oft nicht bedacht würden weitere Kosten, die dadurch für die Hochschulen entstehen. So schlage für eine mit Drittmitteln finanzierte Forschungsprofessur an der jeweiligen Uni oft noch mal der gleichen Betrag zu Buche, um deren Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten. Karl Beucke zitiert einen Kollegen, der den Zuschlag für ein Drittmittelprojekt sarkastisch mit den Satz „Wir siegen uns zu Tode!“kommentiert habe.
Für Beucke sind unabhängige und interdisziplinär aufgestellte Universitäten ein wichtiges Gut, dieses gelte es wieder mehr zu betonen. Interessengeleitete Forschung gefährde die wissenschaftliche Wahrheit. „Zu jeder Expertise gibt es gleich eine Gegenexpertise, so verliert Wissenschaft ihre Glaubwürdigkeit“, kritisiert er.
Den diversen Excellence-initiativen macht Beucke zum Vorwurf, dass sie viele Hochschulen ausschließen. In der ersten Runde habe sich die Bauhaus-universität dem noch aktiv verweigert, inzwischen nehme sie aber mit ihrer Medien- und Kulturwissenschaft teil. „Da haben wir ein Alleinstellungsmerkmal, da kann ein Ranking etwas bringen“, so der Wissenschaftler.