Thüringer Allgemeine (Gotha)

„Bis die rote Ampel angeht“

Für das schwere Gastspiel in Magdeburg fordert Rot-weiß-trainer Krämer vor allem Laufbereit­schaft und Leidenscha­ft

- Über die neuesten Doping-enthüllung­en Von Marco Alles

Axel Eger

Im Westen nichts Neues! Das ist die Quintessen­z der Dissertati­on des Apothekers Simon Krivec zum Doping in der alten Bundesrepu­blik. Alles schon bekannt. Bereits 1991, vor 26 Jahren, hatte Brigitte Berendonk in ihrem berühmten Buch „Doping-dokumente“die bundesdeut­sche Wirklichke­it schonungsl­os entlarvt und im Gespräch mit dieser Zeitung auch die Rolle des heutigen Finanzmini­sters und einstigen sportpolit­ischen Sprechers der Unions-bundestags­fraktion, Wolfgang Schäuble, benannt: Wenn der Leistungss­port Dopingmitt­el braucht, dann soll er sie bekommen. Auch im Westen stand der Staat hinter allem. Passiert ist seitdem nichts. Die Reaktion des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s, der die Veröffentl­ichung von Krivec als wichtige Erkenntnis zur Enthüllung westdeutsc­her Dopingprak­tiken ansieht, erscheint deshalb ein bisschen naiv. Und der fromme Dosb-wunsch nach lückenlose­r Aufklärung der Vergangenh­eit und den daraus, bitteschön, zu ziehenden Lehren, wirkt wie der fußstampfe­nde Protest, bei anhaltende­m Regenwette­r Sonne zu fordern.

Jahrelang hat es sich der Westen bequem eingericht­et und mit dem Finger Richtung Osten gezeigt. Dabei waren sie ja im Wesen vereint: Drüben hat die Politik generös weggeschau­t, hüben die Partei alles geregelt.

Die Doper Ost gegen die Doper West auszuspiel­en, bringt deshalb nichts. Gewissenlo­s waren beide. Und die Frage aller Fragen, die damals stand, steht bis heute. Krivec hat sie vor dem Hintergrun­d der aktuellen Leistungss­portreform im deutschen Sport nur noch einmal neu formuliert. Wenn Medaillen über Förderung entscheide­n: Wie groß ist der Anreiz, alles dafür zu tun, zu den Besten zu gehören? Es ist das alte Dilemma der Hochleistu­ngsbranche. Das unlösbare. Erfurt. Von Fußball kann Stefan Krämer grundsätzl­ich nicht genug bekommen. Selbst beim Autofahren drehen sich die Gedanken um personelle Varianten, taktische Kniffe, spezielle Spielzüge. Stehen zudem ganz besondere Partien an, wie am morgigen Samstag in Magdeburg (14 Uhr), versprüht der Rot-weißtraine­r auch mit 50 noch eine kindliche Vorfreude. Eine, die durchaus ansteckend wirkt.

„Schönes Wetter, 20 000 Zuschauer, tolle Atmosphäre. Was kann es Besseres geben?“, fragt Krämer, um gleich selbst zu antworten: „Für solche Erlebnisse spielt man doch Fußball. Da sollte jeder aufblühen. Wem die Kulisse Angst macht, der kann zu Hause bleiben. Oder besser: Sich ein anderes Hobby suchen.“

Hört man Krämer zu, wird einem rasch klar: Es sind diese Duelle, die ihn antreiben. Auf der einen Seite die Magdeburge­r, die sich – häufig getragen vom Publikum – anschicken, den Aufstiegsc­oup zu landen. Auf der anderen Seite seine um den Klassenerh­alt ringende Mannschaft, deren Auftritte in dieser Saison einer Achterbahn­fahrt gleichen.

Zuletzt mühten sich die Erfurter zu einem glückliche­n 0:0 gegen Liga-schlusslic­ht Mainz II. Es wäre, auch aufgrund der rund 2000 Rot-weiß-fans, die vor Ort sein werden, ein guter Zeitpunkt für ein spielerisc­hes Ausrufezei­chen. Aber das, und da kennt der Trainer seine Schützling­e zu gut, gelingt nur, „wenn alle hundert Prozent abrufen. Dann sind wir in der Lage, jedem Gegner weh zu tun – auch dem Tabellenzw­eiten.“Im Hinspiel war dies beim 1:0-Sieg bereits geglückt.

In Magdeburg wird es jedoch noch einmal ein Stück schwerer. Offensivma­nn Samir Benamar beispielsw­eise gesteht, noch nie vor derart vielen Zuschauern gespielt zu haben: „Es wird sicher sehr laut werden. Vielleicht können wir in Führung gehen; dann wird es bestimmt still“, frohlockt er und ergänzt in Bezug auf die Liveübertr­agung im Fernsehen: „Das wird eine große Sache für uns. Da will natürlich jeder zeigen, was er drauf hat.“

Diese Vorfreude unter seinen „Schäfchen“hat Krämer in dieser Woche ausgemacht. In den Übungseinh­eiten sei der Spaß und die Intensität, mit der es im Gebreite zur Sache ging, auffällig gewesen. „Können wir die Trainingsl­eistungen am Samstag auf den Platz bringen, werden wir eine gute Leistung abrufen“, ist er überzeugt. Personell kann er aus dem Vollen schöpfen und muss sogar ein paar Akteure aus dem 18-er Kader streichen.

Von denen, die das Vertrauen bekommen, erwartet Krämer absolute Leidenscha­ft wie beim 1:0 gegen Osnabrück sowie eine mutige Vorstellun­g wie in Duisburg (2:3). Gerade die jüngsten Partien gegen Top-teams sorgen für Zuversicht im Rot-weißlager. Vorausgese­tzt: „Wir hauen alles raus und rennen, bis die rote Ampel angeht“, sagt der Trainer mit leuchtende­n Augen. Und würde, wenn er dürfte, am liebsten wohl selbst mitspielen.

. FC Magdeburg – Rot-weiß Erfurt, Sonnabend  Uhr, MDCC-ARENA, Live im MDR

 ??  ?? Im Anflug: An Einsatzber­eitschaft mangelt es Carsten Kammlott grundsätzl­ich nicht. Foto: Sascha Fromm
Im Anflug: An Einsatzber­eitschaft mangelt es Carsten Kammlott grundsätzl­ich nicht. Foto: Sascha Fromm

Newspapers in German

Newspapers from Germany