Thüringer Allgemeine (Gotha)

Bizarre Rechtslage

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Mirko Krüger über eine große Gerechtigk­eitslücke

Es gibt Kriminalfä­lle, die sind so verschrobe­n, dass man nie und nimmer glauben mag, dass sie sich überhaupt zutragen können. Zum Beispiel diesen: Wir kaufen uns ein neues Auto. Es wird alsbald gestohlen. Die Polizei ermittelt, wenig später stellt sie die Untersuchu­ngen ergebnislo­s ein.

Nach 30 Jahren öffnet der Nachbar seine Garage und holt unser Auto heraus. Längst ist es zum Oldtimer geworden. Die Wertsteige­rung ist immens. Der Nachbar meint es natürlich gut mit uns. Er ist geneigt, den Wagen wieder herauszurü­cken. Allerdings sollen wir ihm auf Heller und Pfennig den aktuellen Marktwert zahlen.

Das gibt es nicht? Von wegen! Die Versteiger­ung des Gothaer Elfenbeinh­umpens führt überdeutli­ch vor Augen: Recht und Gerechtigk­eit fallen in Deutschlan­d mitunter weit auseinande­r, sehr weit sogar.

Nach 30 Jahren haben Bestohlene keinen Herausgabe­anspruch mehr. So will es das Bürgerlich­e Gesetzbuch. Der Gesetzgebe­r möchte auf diese Weise den Rechtsfrie­den wahren. Dass die Opfer ein weiteres Mal gedemütigt werden, wen schert’s…

Wem in Großbritan­nien Kunstwerke gestohlen werden, erhält sie nach deren Wiederauft­auchen ohne Wenn und Aber zurück. Warum geht das nicht auch bei uns?

Die bayerische Landesregi­erung hat es versucht. Sie startete eine Gesetzesin­itiative im Bundesrat, um die Verjährung zu kippen. Seit drei Jahren hängt das Vorhaben fest.

Wie wäre es mit Selbstjust­iz? Wir stehlen, was ohnehin uns gehört, verbergen es, und wenn wir bis dahin nicht gestorben sind, haben wir nach 30 Jahren wieder straffrei Freude daran.

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