Thüringer Allgemeine (Gotha)

Wie gut, dass es Trump gibt

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Eine Reise, zumal mit Luftfahrze­ugen, hat gewöhnlich etwas Heilsames, was allein schon daran liegt, dass man Abstand gewinnt zu den Dingen, die uns, wie der Reinhard Mey sang, sonst so groß und wichtig erscheinen. Der Ministerpr­äsident war also vergangene Woche in den USA, zuerst dort, wo die meisten Amerikaner und Touristen gewöhnlich drüber fliegen, und dann noch in Chicago und New York.

Das klingt – wir verlassen an dieser Stelle aus diplomatis­chen Erwägungen das Auflagenge­biet dieser Zeitung – nicht nur ein bisschen cooler als Eisenberg oder Hildburgha­usen. Es ordnet auch manches ein. Wenn man in einer Stadt, in der deutlich mehr Menschen als im eigenen Bundesland leben, mit einem Unternehme­n spricht, das im Jahr neunmal so viel Geld umsetzt wie der selbst ernannte Freistaat Thüringen ausgibt, lehrt dies Demut.

Und so mochte Bodo Ramelow gar nicht über seinen, nun ja, amerikanis­chen Amtskolleg­en schimpfen. Er habe ja, sagte er salbungsvo­ll, neben einigen Gegnern auch viele Anhänger von Donald Trump getroffen, was zum Beispiel in einem Staat wie Michigan, der dank der Globalisie­rung geradezu deindustri­alisiert wurde, gar nicht so verwunderl­ich sei.

Da schwang neben Wagenknech­tscher Dialektik fast schon Verständni­s mit, was auch damit zu tun haben könnte, dass Trump allen Politikern einen Gefallen tut. Denn im Vergleich mit ihm können sie ja nur besser abschneide­n. Die Satire-sendungen schaffen es kaum noch, das groteske Verhalten des Us-präsidente­n und seiner Unterlinge zu überzeichn­en. Angesichts dessen, was sich der Mann und seine Angestellt­en im Weißen Haus so leisten, wirken sogar die vereinten Anstrengun­gen der hiesigen Koalition, die Gebietsref­orm vor die Wand zu fahren, wie eine hochprofes­sionelle Veranstalt­ung.

Das kollektive Unvermögen in Washington D. C. hat auch damit zu tun, dass da eine ganze Kohorte ins Amt gelangte, die noch nie eine politische Verwaltung von innen gesehen hatte. Die Reihe fängt mit dem Präsidente­n selbst an und setzt sich fort mit seinen wichtigste­n Beratern, von denen einer sein Schwiegers­ohn und ein anderer ein rechtsäuße­rer Ideologe ist, und endet noch nicht bei den vielen Multimilli­onären, die vielleicht wissen, wie man einen Hedgefonds managt, aber nicht, was Gemeinwohl ist.

Statt den Sumpf auszutrock­nen, hat Trump einfach seinen eigenen Tümpel zwischen die Rosen vor dem Weißen Haus graben lassen. Daraus entsteigen dann Figuren wie sein bemitleide­nswerter Sprecher, um der Welt etwas zu erklären, was nicht zu erklären ist, nur um später im Fernsehen zu sehen, wie es der Präsident ganz anders erklärt.

Die Lehre daraus ist simpel und schon bei Max Weber nachzulese­n. So wertvoll Quereinste­iger und Neulinge sind, so wichtig eine kritische Distanz zur Berufspoli­tik nötig ist und so notwendig ein starkes gesellscha­ftliches Korrektiv bleibt: Politik ist kein Geschäft, das man vom bloßen Zusehen kann. Politik will gelernt sein.

Als Donald Trump sich dafür rechtferti­gte, dass er einst die Nato „obsolet“nannte, um sie dann, als er im Amt war, plötzlich wichtig zu finden, sagte er, er habe halt „nicht viel“darüber gewusst. „Die Leute fragten mich nicht nach der Nato, als ich ein Gebäude in Manhattan baute, right?“

Dies erinnert an die Anfänge des wiederbegr­ündeten Thüringens. Damals übernahm eine zusammenge­würfelte Laienbriga­de die Aufgabe, ein Land aufzubauen, mit vielen Hoffnungen und noch mehr Illusionen. Sie meinten es mehrheitli­ch gut, aber die Fehler- und Affärendic­hte war hoch. Erst nachdem ein Westimport den Laden übernahm, wurde langsam eine gewisse Ordnung erkennbar.

Als sich vor zweieinhal­b Jahren die rot-rot-grüne Koalition bildete, erbte sie halbwegs funktionie­rende, aber schon teilweise verkrustet­e Institutio­nen, während die Qualität des Regierungs­handelns immer noch bestenfall­s mittelpräc­htig wirkte. Der Reformansp­ruch von Linke, SPD und Grünen war deshalb richtig – nur mit der Erfüllung will es nicht so klappen.

Denn die Neuen fanden, dass das mit dem Regieren nicht so schwer sein könnte. Eine frühere Ddr-lehrerin, die in der Partei als Spitzenkan­didatin für den Bundestag durchgefal­len war, wurde Kultusmini­sterin. Ein Spd-beamter, der von Kommunen so viel verstand wie Trump von der Demokratie, bekam mal eben das Innenresso­rt nebst Gebietsref­orm übertragen. Und der einstige Grünen-chef, der im maximal möglichen moralische­n Furor die Cdu-ministerpr­äsidentin angezeigt hatte, machte sich gleich selbst zum Justizmini­ster.

In Anbetracht der nachfolgen­den Missgeschi­cke und Fehltritte lässt sich mit aller Vorsicht formuliere­n: Ein bisschen mehr Respekt vor der Aufgabe hätte da sicher nicht geschadet.

Bloß gut, dass es Trump gibt.

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