Deutschland setzt voll auf Diesel
Anders als Volvo investieren Daimler und BMW Milliarden – und können auf Hilfe durch die CSU hoffen
Berlin. Die deutsche Autoindustrie setzt trotz Abgasskandals und wachsender Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der Technologie weiter voll auf Dieselmotoren. Unterstützt wird sie dabei von der CSU, die neue Diesel-subventionen erwägt. Daimlers Entwicklungsvorstand Ola Källenius sagte: „Wir investieren weiter in unsere Verbrennungsmotoren, sowohl Otto als auch Diesel.“Der Stuttgarter Autokonzern ist dabei, eine neue Motorengeneration auf den Markt zu bringen. „Aus heutiger Sicht gibt es keinen Grund zu sagen, es wird keine Nachfolgegeneration für diese Dieselfamilie geben.“
Autoexperten zweifeln an deutscher Auto-strategie
Auch BMW investiert weiter in Diesel. Allein dieses Jahr fließen 100 Millionen Euro in das auf Dieselmotoren spezialisierte Entwicklungszentrum. Der Konzern werde seine Dieseltriebwerke „auch in Zukunft weiterentwickeln. Entwickeln heißt auch investieren“, teilte der Münchner Konzern kürzlich mit. Volkswagen sieht ebenfalls eine Daseinsberechtigung für den Diesel in großen Autos und investiert in den kommenden Jahren zehn Milliarden Euro in neue Verbrennungsmotoren.
Volvo-chef Håkan Samuelsson hatte vergangene Woche für Aufruhr in der deutschen Automobilbranche gesorgt, als er ankündigte, nach der aktuellen Generation aus der Dieselentwicklung auszusteigen. Volvo baut tendenziell große, teure Autos, die direkt mit vielen BMW-, Daimler- und Audi-modellen konkurrieren. In schweren Wagen mit hohem Verbrauch ist die Dieseltechnik durch Besteuerungsvorteile besonders konkurrenzfähig.
Die bayerische Regierung will Diesel durch ein politisches Programm unterstützen. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte bei einer Csu-klausur, nötig sei ein Gesamtkonzept, keine „isolierten Lösungen“. Der „Spiegel“hatte zuvor berichtet, Seehofer wolle mit einer Kaufprämie den Absatz von Modellen fördern, die mit modernen Euro-6-motoren ausgestattet sind. Laut einem Plan, der derzeit zwischen Staatskanzlei und Ministerien abgestimmt werde, solle es „starke Anreize zur Flottenerneuerung von Dieselfahrzeugen“geben.
Die Dieseltechnik steht unter anderem wegen hoher Stickoxidemissionen in der Kritik. Ausgerechnet in Stuttgart, dem Firmensitz von Daimler, wird derzeit über Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge diskutiert, um die Luftqualität zu verbessern. Der Dieselskandal bei Volkswagen hatte gezeigt, dass fast alle Diesel die Abgasnormen um ein Vielfaches überschreiten.
Die Grünen und die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierten die Idee einer möglichen Kaufprämie für neuere Dieselwagen. Cem Özdemir, Spitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen, warf der Koalition Orientierungslosigkeit in der Verkehrspolitik vor. Was Seehofer vorschlage, sei „verkehrspolitisches Harakiri“. Die Umweltorganisation Greenpeace sprach von einem „Subventionsprogramm für Dreckschleudern“.
Auch Autoindustrie-experten gehen mit dem Festhalten an der Dieselstrategie hart ins Gericht. Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-essen, sagte dieser Zeitung, Horst Seehofers Vorschlag sei das beste Mittel, um die Autokonzerne in Deutschland langfristig zu gefährden. „Sie müssen überlegen, wie sie vom Diesel wegkommen, nicht gefördert werden, noch mehr in die Technologie zu investieren.“
Es sei zudem ein Fehler der Autoindustrie in Deutschland, auf die Fächertaktik zu setzen, also alle Technologien weiterzuverfolgen, vom Diesel über den Hybrid-benziner bis zum Elektroauto. „Stattdessen sollten die deutschen Hersteller entschlossen auf Elektromobilität setzen“, sagte Dudenhöffer.
Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, vermutet, dass die deutschen Autohersteller Dieselmotoren trotz offenkundiger Risiken starkredeten, weil sie die Kunden nicht verunsichern wollten. Denn die Vorgaben zu Kohlendioxidemissionen seien ohne die relativ effizienten Dieselmotoren gerade für die Hersteller großer Autos bei einem Wegbrechen der Dieselverkäufe nicht zu schaffen. „Der Höhepunkt des Diesels ist aus meiner Sicht aber schon überschritten“, sagte Bratzel.
Zuletzt hatten Dieselfahrzeuge bei den Neuzulassungen erheblich an Marktanteil verloren: In Deutschland ging der Wert im April gegenüber dem Vorjahresmonat um 5,7 Prozentpunkte auf 41,3 Prozent zurück. Bratzel sagte, die Politik reagiere mit „Ratlosigkeit und Aktionismus“auf das Dieselproblem. Ein klares Konzept, wie der Automarkt der Zukunft aussehen könnte, sei nicht zu erkennen. Dafür spreche auch Horst Seehofers Vorschlag, eine zusätzliche Dieselprämie einzuführen. ( mit dpa)