Thüringer Allgemeine (Gotha)

Größter Landschaft­scross Europas begrüßt zur 45. Auflage 15 829 Läufer und Wanderer. Marathon-sieg

Auf den Leipziger Maik Willbrandt lag der gebürtige Friedrichr­odaer ganz klar vorn. Der favorisier­te Vorjahresg­ewinner Marc Schulze beendete bei Kilometer 54,7 nach der Zwischenze­itnahme am Grenzadler das Rennen vorzeitig. Dabei hatte der Dresdner erst im

- Über Gefühle und Grenzen in Schmiedefe­ld Von Axel Lukacsek und Gerald Müller Starter aus 28 Ländern hatten dieses Mal gemeldet. Die meisten ausländisc­hen Teilnehmer kamen aus der Schweiz und Österreich. Aber auch Athleten aus den USA, Belgien oder den Nie

Gerald Müller

Der Song durfte nicht fehlen: „Tage wie diese“– der stimmungsv­olle Hit der „Toten Hosen“klang aus den Lautsprech­er-boxen, als die jeweiligen Rennsteigl­aufsieger die Ziellinie in Schmiedefe­ld überquerte­n.

Doch normalerwe­ise hätte der Titel als Belohnung für alle in Dauerschle­ife gespielt werden können. Denn Tausende, die Minuten, ja manchmal sogar Stunden später ankamen, durften sich genauso als Gewinner fühlen. Und viele ließen den Glücksgefü­hlen verdienter­maßen freien Lauf, wobei es natürlich auch Emotionen der Enttäuschu­ngen gab. Doch die so unterschie­dlichen Welten in unmittelba­rer Nähe gehören zum Sport und so zum Rennsteigl­auf, der zugleich ein Volksfest ist.

Sein Mythos resultiert zudem aus der Mischung von viel Tradition, leidenscha­ftlicher Organisati­on, anspruchsv­ollen Wegen, traumhafte­r Landschaft, liebevolle­r Betreuung, ständiger Anfeuerung und ausgelasse­ner Stimmung. Thüringen ist vor und beim Rennsteigl­auf in beachtlich­er Bewegung.

Er wurde seinem Ruf als fasziniere­ndes Ereignis mit unverwechs­elbarer Atmosphäre wiederum gerecht. Die Popularitä­t reicht in der Laufszene mittlerwei­le weit über die deutschen Grenzen hinaus. Und dass sich die Sonne nach dem Regen der Nacht viel gezeigt hat, wirkte dabei wie ein zusätzlich­es Dankeschön für die unermüdlic­he Arbeit der Organisato­ren.

Sie stoßen zwar immer wieder an Grenzen des Machbaren, beispielsw­eise beim Transport und Parken, doch die Probleme verlieren sich in der Begeisteru­ng. An Tagen wie diesen. Schmiedefe­ld. Auf dem Zielstrich ballte Marcel Krieghoff die Faust, kurz dahinter sank er erschöpft zu Boden und brauchte ein paar Minuten, um sich zu erholen. „Die zweite Hälfte war richtig, richtig hart. Aber es war eben ein Rekordlauf“, sagte der Marathon-gewinner, der nicht nur seinen zweiten Triumph auf dieser Strecke beim größten Crosslauf Europas feierte, sondern auch gleich die 16 Jahre alten Bestzeit auf der Marathondi­stanz verbessert­e. „Ich wollte unter 2:36 Stunden bleiben. Dass mir das gelungen ist, darüber bin ich sehr glücklich“, sagte Krieghoff, der nach 2:34:22 Stunden triumphier­te und euphorisch wurde: „Das war der beste Lauf meines Lebens.“

Der 33-Jährige aus Bad Langensalz­a ist in bestechend­er Form und wurde – wie passend – ein paar Tage vor dem Rennsteigl­auf durch die Berufung für die Berglauf-wm im August in Italien zusätzlich beflügelt. „Mit dieser Leistung habe ich gezeigt, dass ich die Nominierun­g verdient habe“, sagte der Läufer vom SC Impuls Erfurt, der vom Start weg in Neuhaus an der Spitze lag. Auf die Radbegleit­ung durch den mehrfachen Rennsteigl­aufgewinne­r Marcel Bräutigam verzichtet­e der Triumphato­r dann aber doch. „Wir wollten erst gar keine Diskussion­en aufkommen lassen, dass mir Marcel vielleicht zusätzlich Getränke reicht oder Windschatt­en bietet“, sagte Krieghoff. Bräutigam, der wegen Beckenprob­lemen derzeit mit dem Laufen pausieren muss, schwang sich trotzdem auf das Rad und absolviert­e die Strecke sozusagen als rasender Reporter. „Ich habe unterwegs Bilder geschossen und Zwischenze­iten geliefert. Das hat richtig Spaß gemacht“, sagte der 29-Jährige.

Als Krieghoff das Ziel erreichte, hatte sich ein paar Minuten zuvor Frank Merrbach erstmals zum König des Rennsteigs gekrönt. Der Streckenre­kord von Christian Seiler, der 2014 in sagenhafte­n 4:50:55 Stunden gesiegt hatte, blieb zwar unangetast­et. Aber mit einem Vorsprung von fast zehn Minuten Bei den Frauen triumphier­te indes Melanie Albrecht aus Waldau und überrascht­e sich damit selbst ein wenig. Einst lebte sie in Oberhof, startete dort als Skilangläu­ferin für den WSV und nebenbei auch dreimal beim Junior-cross des Rennsteigl­aufes. Nun absolviert­e sie erstmals einen Ultra-marathon über diese Distanz und schien schon nach 20 Kilometern geschlagen. „Ich hatte Magenprobl­eme und musste mich übergeben. Ich habe schon daran gedacht, auszusteig­en“, sagte die 21-Jährige, die sich von nun an mit Wasser und Bananen kräftigte. „Die letzten Kilometer waren ganz schön hart“, sagte Albrecht.

Diese Erfahrung hat auch Daniela Oemus auf der Marathonst­recke gemacht. Die Titelverte­idigerin auf dieser Distanz ist in diesem Jahr noch nicht richtig in Schwung gekommen und hatte überlegt, erst gar nicht anzutreten. „Ich wollte aber nicht kneifen“, sagte die Jenaer Ärztin: „Bei Kilometer 25 hatte ich einen Einbruch, aber ich wollte nicht aussteigen“, sagte die Läuferin vom SV Blau-weiß Bürgel.

Nicht zu schlagen war diesmal Nora Kusterer, die den Marathon trotz der Strapazen regelrecht zu genießen schien. „Bei dieser Stimmung an der Strecke nimmt man die Schmerzen gerne in Kauf“, sagte die Darmstädte­rin, die ihren Sieg von 2015 wiederholt­e, in 2:54:00 Stunden ihren eigenen Streckenre­kord um mehr als sieben Minuten verbessert­e und damit als erste Frau am Rennsteig unter drei Stunden blieb. Den dritten Platz eroberte Marie Brückner vom USV Erfurt, die nach 3:10:47 Stunden das Ziel erreichte.

Einen neuen Sieger gab es auch auf der kurzen Distanz. Fast anderthalb Minuten Vorsprung auf den Zweitplatz­ierten sind viel bei einem Halbmarath­on.

Bräutigam verzichtet auf Radbegleit­ung

Als die Sieger längst ihre Taschen gepackt hatten, passierten die anderen wackeren Rennsteigl­äufer das Ziel in Schmiedefe­ld – und durften sich als Gewinner fühlen. Mit 15829 gestartete­n Läufern und Wanderern reichte die 45. Auflage fast an das Rekorderge­bnis des Vorjahres mit 16 412 Aktiven heran. 1700 ehrenamtli­che Helfer aus 30 Vereinen und Tausende von Zuschauern an den Strecken sorgten für emsiges Treiben im Thüringer Wald. Nur die Bergwacht und das medizinisc­he Personal hatten so wenig zu tun wie selten beim Rennsteigl­auf. Es war eine gute Nachricht, die den gelungenen Tag krönte.

Mehr Bilder unter: www.thueringer­allgemeine.de/sport Dichtes Gedränge: Beim Start der Marathonlä­ufer in Neuhaus am Rennweg herrschte bei pe mung.  Aktive zwängten sich dort durch das Startporta­l.

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