Thüringer Allgemeine (Gotha)

Kein Anwalt, kein Antrag, kein Wort zum Tatvorwurf

Ein mutmaßlich­er Nsu-unterstütz­er wird zu einer Geldstrafe verurteilt. Vor Gericht schweigt der Mann

- Von Martin Kloth

Zwickau. André E. hat gestern vor dem Amtsgerich­t Zwickau mit seinem Auftritt für Verwunderu­ng gesorgt. „Das ist für mich recht ungewöhnli­ch“, sagte Staatsanwa­lt Jörg Rzehak.

Nicht nur der Ankläger hatte erwartet, dass sich der Mitangekla­gte aus dem Münchner Nsuprozess verteidigt. Denn immerhin hatte der mutmaßlich­e Unterstütz­er des rechten Terrortrio­s Einspruch eingelegt gegen einen Strafbefeh­l. „Ich hatte erwartet, dass er den Vorwurf bestreitet“, sagte Rzehak. Wie in München aber schwieg André E. in der Verhandlun­g, die wegen seiner unrühmlich­en Bekannthei­t auf großes Medieninte­resse gestoßen war. Lediglich Angaben zur Person und zu seinen Einkommens­verhältnis­sen machte der 37-Jährige. Danach ist er verheirate­t, hat drei Kinder und bezieht Arbeitslos­engeld II. An seinen Hartz-iv-bezügen bemaß sich dann auch die Strafe.

Richter Andreas Nahrendorf verurteilt­e den gelernten Maurer wegen Körperverl­etzung und Bedrohung zu 52 Tagessätze­n à 13 Euro. Das sei ein Zuschlag im Vergleich zum Strafbefeh­l, weil der Bonus der Geständigk­eit weggefalle­n sei, sagte der Vorsitzend­e. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte am 16. Mai 2016 einen heute 19Jährigen verprügelt, getreten und mit dem Tode bedroht hatte. Vor Gericht erkannte das Opfer André E. als seinen Peiniger wieder. Offen blieb, warum der angeblich enge Vertraute der Rechtsterr­oristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sowie ihrer mutmaßlich­en Helferin Beate Zschäpe überhaupt gegen den Strafbefeh­l über 600 Euro vorgegange­n ist. „Normalerwe­ise will man erreichen, gehört zu werden. So ist das schon seltsam“, sagte Sibylle Peters, ständige Vertreteri­n des Direktors am Amtsgerich­t.

Lange vor Prozessbeg­inn erschien André E. im Gericht – ohne seinen Berliner Anwalt Herbert Hedrich, der ihn auch beim Nsu-prozess vor dem Oberlandes­gericht München vertritt. Schwarze Sonnenbril­le, schwarzer Kapuzenpul­lover – so saß er im Gang vor dem Saal 1. In seinen markant tätowierte­n Händen hielt er eine schwarze Kollegmapp­e. Während der Verhandlun­g setzte er die Brille ab, machte sich Notizen und wirkte mitunter belustigt. Auf Fragen des Richters zu Anträgen oder einem Schlusswor­t reagierte André E. nur mit Kopfschütt­eln.

Nahrendorf betonte mehrfach und auch in der Urteilsbeg­ründung, dass es gutes Recht des Angeklagte­n sei, nichts zu sagen. Sein Unverständ­nis klang dabei durch. Der Staatsanwa­lt machte seine Verwunderu­ng deutlicher: „Ich kann mir nicht erklären, warum er diese öffentlich­e Hauptverha­ndlung wollte – natürlich mit Kenntnis der zu erwartende­n Medienpräs­enz.“Das Medieninte­resse hatte vorab für Wirbel gesorgt. Denn Saal 1 hat nur wenige Plätze für Besucher. Am Verhandlun­gstag waren dann zwölf Stühle vorhanden – und keiner blieb frei. „Wir haben aufgestuhl­t“, sagte Richter Nahrendorf. (dpa)

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Der mutmaßlich­e Unterstütz­er des NSU, André E., kommt zum Prozess ins Amtsgerich­t Zwickau. Er muss sich wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung und Bedrohung verantwort­en. Foto: Jan Woitas, dpa

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