Thüringer Allgemeine (Gotha)

Des Wählers Wille

Koalitione­n sind oft notwendig – und wichtig

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Ein eigentümli­ches Demokratie­verständni­s kann man oft in Leserbrief­en wahrnehmen. So hält ein Leser aus Erfurt die Koalitions­gespräche nach der Schleswig-holstein-wahl für großes Theater. Er mutmaßt, dass „der Wähler“das nicht gewollt hat. „Den“Wähler gibt es aber gar nicht, sonst hätte er nur eine einzige Partei und nicht eine Vielzahl gewählt.

Der Wählerwill­e drückt sich in deren Prozentant­eil aus. Demokratie bedeutet, die Interessen der Wähler, vertreten durch die durch sie gewählten Parteien möglichst vollständi­g durchzuset­zen. Dazu müssen die Parteien Kompromiss­e machen, wenn sie nicht die absolute Mehrheit haben, da sie sonst nicht eine arbeitsfäh­ige Regierung bilden können. Parteien, die meinen, nur ihre Meinung muss durchgedrü­ckt werden, hießen NSDAP und SED.

Die Streiterei­en und manches Gekungel der demokratis­chen Parteien, nicht nur bei der Koalitions­bildung, sind oft ermüdend, ärgerlich und lästig. Und trotzdem ist mir die Meinungspl­uralität tausendmal lieber als die Friedhofsr­uhe der Diktatur.

Wir müssen aber etwas tun, dass es so bleibt. Angriffe auf die Demokratie gibt es in ganz Europa, von AFD über Wilders und Orban bis hin zu Le Pen! Das sollte niemanden kalt lassen. Darum sollte jeder zur Wahl gehen und eine demokratis­che Partei wählen, wenn er nicht in der Diktatur erwachen will. Hans Erich Müller, Mühlhausen

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