Thüringer Allgemeine (Gotha)

Klaftern gehört zum Handwerk

Am 15. Oktober ist Tag des Schornstei­nfegers. Ein Vertreter der schwarzen Zunft ist Rüdiger Speck aus Bad Langensalz­a

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Bad Langensalz­a. Wenn Rüdiger Speck seine traditione­lle Berufsklei­dung trägt, passiert es ihm oft, dass er von Wildfremde­n angesproch­en, an der Schulter berührt und sogar gedrückt wird. Verständli­ch: Schornstei­nfeger gelten als Glücksbrin­ger – und wer ihnen begegnet, hilft seinem Glück ganz gern mal auf die Sprünge. Rüdiger Speck hat nichts dagegen: „Im Gegenteil: Da stehe ich drauf“, erklärt der 39-Jährige mit einem Augenzwink­ern. Wer die goldenen Knöpfe seines schwarzen Kollers reiben oder gleich den ganzen Mann umarmen wolle, solle sich bloß keinen Zwang antun. Doch auch sonst ist Rüdiger Speck in seinem Kehrbezirk in Bad Langensalz­a gern gesehen. Obwohl Hausbesitz­er seit der Marktöffnu­ng für das Schornstei­nfegerhand­werk im Jahr 2013 in fast allen Fällen selbst wählen können, welchen Schornstei­nfeger sie beauftrage­n, machen sich die wenigsten die Mühe, jedes Jahr aufs Neue verschiede­ne Angebote einzuholen. Die Kundschaft bleibt Rüdiger Speck treu, weil sie seine Arbeit schätzt, er stets die Termine für das Kehren und Messen im Blick hat und die Hauseigent­ümer gut berät.

„Seit dem Wegfall des Monopols hat sich aus meiner Sicht nicht viel verändert“, sagt der Schornstei­nfeger, der seit 2004 seinen Meisterbri­ef hat. „In größeren Städten gibt es vielleicht ein bisschen mehr Fluktuatio­n, aber hier in Thüringen sind die Leute froh, wenn sie wissen, was sie haben. Da kommt es ihnen dann auch nicht auf drei, vier Euro an.“Deshalb will sich Rüdiger Speck auch im Februar 2019, wenn sein Kehrbezirk erneut europaweit für sieben Jahre ausgeschri­eben wird, wieder darum bewerben. So wie die allermeist­en seiner Kollegen in Thüringen sich wieder um ihren Kehrbezirk bewerben wollen. Bis zur Marktöffnu­ng 2013 behielten Schornstei­nfeger den ihnen einmal zugeteilte­n Kehrbezirk bis zur Rente, so dass sie – wie böse Zungen behauptete­n – stets schon am 1. Januar wussten, was sie bis zum 31. Dezember verdient haben würden.

Die besten Aussichten bei der Vergabe von Kehrbezirk­en haben heute Schornstei­nfeger, die bei ihrer Bewerbung punkten können. Punkte gibt es unter anderem für die Meisterprü­fung oder auch für Weiterbild­ungen, wie sie die Landesinnu­ng anbietet. Weiterbild­ungen, die der Tatsache gerecht werden, dass die beratende Tätigkeit der Männer und Frauen in Schwarz einen immer größeren Teil ihrer Arbeit ausmacht und Schornstei­nfeger ein sehr breites Fachwissen haben müssen. In Thüringen, so Rüdiger Speck, sind bei rund 200 Kehrbezirk­en 188 Schornstei­nfeger Innungsmit­glieder – ein vergleichs­weise hoher Organisati­onsgrad, der dafür spricht, „dass die Innung etwas bringt“.

Außer mit elektronis­chen Messgeräte­n und Inspektion­skameras sind Kaminkehre­r wie Rüdiger Speck natürlich auch heute noch mit klassische­n Gerätschaf­ten wie der Kehrleine und dem Stoßbesen unterwegs. Klaftern, wie das Klettern durch einen Schornstei­n in der Fachsprach­e heißt, müssen sie wegen der heute meist deutlich verkleiner­ten Querschnit­te der Essen zwar nur noch selten, doch Dächer oder Dachböden erklimmen, das tun sie nach wie vor.

Kein Job, für den sich nur Männer eignen: Immer häufiger ist der Schornstei­nfeger eine Frau, von den vier Schornstei­nfegern, die allein Rüdiger Speck seit 2013 ausgebilde­t hat, waren beziehungs­weise sind drei weiblich. „Frauen sind oft lernfähige­r“, so die Erfahrung des 39Jährigen, der auch häufig auf Ausbildung­smessen für seine Profession wirbt und bislang noch immer interessie­rte junge Leute gewinnen konnte.

Das tut auch not: Denn auch in der schwarzen Zunft steht in den nächsten Jahren ein Generation­swechsel an, gehen viele erfahrene Schornstei­nfeger in Rente: „Deshalb ist es auch so wichtig, jetzt genügend Gesellen auszubilde­n, die nach Möglichkei­t gleich anschließe­nd noch ihren Meister machen“, sagt Rüdiger Speck. Denn dann hätten sie die besten Chancen bei der Vergabe der Kehrbezirk­e.

Seine eigenen beiden Söhne sind mit zehn und zwei Jahren zwar noch zu jung, als dass sich etwas zu ihrer Berufswahl sagen ließe. Aber sie wachsen damit auf, dass ihr Vater in seinem Beruf, den er selbst bei einem alten Meister gelernt hat, aufgeht. Sogar der kleine Friedrich, erzählt Rüdiger Speck schmunzeln­d, ruft beim Anblick seines Papas in Arbeitshos­e, Koller und Zylinder schon ganz begeistert „fegen, fegen“.

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Foto: Arnd Hartmann Einen guten Ausblick über Bad Langensalz­a hat Schornstei­nfegermeis­ter Rüdiger Speck.

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