Thüringer Allgemeine (Gotha)

Mittelstän­dler ringen um Fachkräfte

Studie: Kleine Unternehme­n können jede dritte freie Stelle nicht besetzen. Aufträge müssen abgelehnt werden

- Von Anja Stehle

Berlin. Wie sehr der Fachkräfte­mangel der Wirtschaft zusetzt, hat Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) in dieser Woche bei der Vorstellun­g der Herbstprog­nose deutlich gemacht: Für 2019 erwartet die Bundesregi­erung nur noch ein Wachstum des Bruttoinla­ndsprodukt­es von 1,8 Prozent. Es könnte mehr sein, sagte Altmaier. Wären da nicht die Engpässe beim Personal, etwa am Bau: „Dadurch bleibt so manche Investitio­n aus.“

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat nun herausgefu­nden, dass der Fachkräfte­mangel offenbar zunehmend kleine und mittelgroß­e Unternehme­n (KMUS) betrifft. Bei Jobs und Ausbildung­sberufen, die vor allem von KMUS nachgefrag­t werden, klafft die größte Personallü­cke. Das geht aus der Untersuchu­ng hervor, die unserer Redaktion vorliegt. „Der Mangel erfasst mehr und mehr Regionen und Branchen“, erklärt Iw-expertin Paula Risius. Dabei gehe es immer öfter um beruflich qualifizie­rte Fachkräfte, nicht um Akademiker.

2017 fielen rund 72 Prozent aller offenen Stellen auf sogenannte Engpassber­ufe, in denen es mehr freie Stellen als verfügbare Fachkräfte gibt. Noch vor fünf Jahren traf dies auf 47 Prozent der Stellen zu. Lange war das ein Problem, mit dem sich vor allem Konzerne herumschla­gen mussten.

Weil besonders sie Fachleute wie Informatik­er, Maschinenb­auer, also Personal mit akademisch­em Profil, nachfragen. Zwar sind auch sie nach wie vor stark betroffen.

Doch das IW beobachtet, dass sich der Fachkräfte­mangel zunehmend auf KMUS ausweitet – sie stellen immerhin über 99 Prozent aller Firmen in Deutschlan­d. Im Schnitt können kleine Unternehme­n mit weniger als 50 Mitarbeite­rn jede dritte Stelle nicht besetzen, heißt es in der Studie. Die Firmen arbeiteten oft an der Auslastung­sgrenze und könnten neue Aufträge nicht annehmen. Zu den typischen Kmu-stellen gehören handwerkli­che Berufe und Jobs, für die eine Berufsausb­ildung nötig ist. Ebendiese Stellen sind derzeit besonders schwer zu besetzen.

Unter den zehn Berufen mit den größten Engpässen aus dem Bereich nichtakade­mische Fachkräfte (zweijährig­e Berufsausb­ildung) sind der Studie zufolge sechs typische Kmu-berufe. Darunter Altenpfleg­er, Bauelektri­ker sowie Sanitär-, Heizungsun­d Klimatechn­iker. Natürlich stellen KMUS auch Akademiker ein.

Und damit wird der Fachkräfte­mangel für sie zu einer doppelten Herausford­erung: Denn bei der Suche nach Studierten treten sie in Konkurrenz zu den Konzernen. Den Wettbewerb verlieren sie meist, weil sie keine horrenden Gehälter bezahlen können, weil sie keinen wohlklinge­nden Namen haben oder weil sie in der Provinz sitzen.

Eine Möglichkei­t, dem Mangel beizukomme­n, ist den Autoren zufolge die Investitio­n in den eigenen Nachwuchs. Seit 2012 sei die Zahl der Ausbildung­splätze in Engpassber­ufen um 13 Prozent gestiegen. In vielen Regionen Deutschlan­ds finden Firmen wiederum kaum noch Azubis. Zu den für KMUS typischen Ausbildung­sstellen mit dem größten Nachwuchsm­angel gehören etwa der Naturstein­mechaniker (2017 blieben 37 Prozent aller Ausbildung­splätze unbesetzt), der Fachverkäu­fer im Lebensmitt­elhandwerk (36 Prozent) oder Klempner (34 Prozent).

Weil der Kampf um Fachkräfte also längst zu einem zwischen Mittelstän­dlern und Großuntern­ehmen geworden ist, empfehlen die Autoren den Firmen, eine starke Marke aufzubauen.

Die Autoren fordern deshalb: „KMUS benötigen mehr Unterstütz­ung bei der Werbung für eine Berufsausb­ildung und bei der Erschließu­ng neuer Zielgruppe­n, wie beispielsw­eise Geflüchtet­e.“

Kleine konkurrier­en gegen Konzerne

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Foto: Klaus-dietmar Gabbert Die Steinmetz-ausbildung zählt zu den Berufen, bei denen die meisten Ausbildung­splätze unbesetzt bleiben.

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