Die neue industrielle Revolution
Vorlesungsreihe „Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf Mensch und Gesellschaft“startet in Jena
Jena. Wir surfen am Computer, schicken aus dem Urlaub keine Postkarten mehr nach Hause, sondern mit dem Handy Fotos, und blättern nicht mehr im Lexikon, wenn wir wissen wollen, wie hoch der höchste Berg Deutschlands ist oder wann Beethoven seine letzte Sinfonie geschrieben hat. Wir fragen „Siri“oder „Alexa“, die Apple und Amazon erschaffen haben, damit sie uns durchs Leben begleiten. Möglich macht das alles – die Digitalisierung.
Doch was bedeutet das eigentlich für jeden von uns und für die Gesellschaft, welche Chancen und Risiken birgt sie? Dem geht eine neue, öffentliche Vorlesungsreihe auf den Grund, die an der Jenaer Uni gestartet wird. Initiiert wurde sie vom Collegium Europaeum Jenense (CEJ), dem Institut für Informatik und dem interdisziplinären Michaelstifel-zentrum Jena.
Die Professoren Martin Hermann vom CEJ und die Informatikerin Brigitta König-ries erklären Anliegen und Inhalt der Vorlesungsreihe.
Die Digitalisierung ist in unserem Leben längst allgegenwärtig. Warum dann jetzt diese Vorlesungsreihe ? König-ries: Es geht dabei nicht nur um einen technischen Prozess der Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche hat. Die Digitalisierung wird alles umkrempeln, die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Wissenschaft, das private leben. Nicht von ungefähr sprechen wir auch von einer „digitalen Revolution“, die ähnlich wie die industrielle Revolution im 18. und 19. Jahrhundert wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, Arbeitsbedingungen und Lebensumstände der Menschen tiefgreifend und dauerhaft verändert hat. Die Digitalisierung wird unsere Art zu arbeiten völlig verändern.
Hermann: Wie weit diese Veränderungen gehen werden, das ist jetzt noch gar nicht absehbar. Aber es wird keinen Lebensbereich und keine Länder dieser Erde geben, die nicht von Digitalisierung betroffen sind. Chancen und Risiken digitaler Technologien müssen interdisziplinär und international betrachtet werden. Es ist also höchste Zeit, dass die Wissenschaft sich des Themas annimmt.
Welchen Seiten müssen dringend beleuchtet werden? König-ries: Problematisch sind die riesigen Datenmengen, die erzeugt werden, schon von kleinen Systemen wie etwa einem Mobiltelefon, dessen Sensorenpool ermittelt, wer was wo macht und der verfolgt, wie er sich in der realen Welt, aber auch in der digitalen bewegt. Erst recht, wenn beispielsweise weltweit Daten zur Biodiversität gesammelt werden. Um all diese Daten auszuwerten, brauchen wir die Künstliche Intelligenz, also maschinelle Lernverfahren. Die Verfahren dazu sind meist schon lange bekannt, doch erst jetzt können sie richtig angewandt werden, weil wir heute über die erforderliche Rechenleistung verfügen. Ein Problem ist jedoch, dass die selbstlernenden Programme zu Ergebnissen kommen, wir jedoch nicht richtig wissen, wie. Daran arbeiten zum Beispiel Informatiker.
Hermann: Zweischneidig ist, dass viele Menschen begeistert die Möglichkeiten nutzen, die ihnen digitale Technologien bieten, aber dass sie nicht einschätzen können, welche Konsequenzen das hat. Wichtig ist, zu wissen, was passiert, deshalb haben wir die Vorlesungsreihe für eine breite Öffentlichkeit konzipiert.
Worum geht es denn konkret? Hermann: In der ersten Vorlesung klären Informatiker darüber auf, was Digitalisierung überhaupt ist und mit welchen Methoden sie umgesetzt werden kann. Im November geht es um die personalisierte Medizin. Die Digitalisierung macht Diagnostik und Therapie von Krankheiten heute viel genauer, schneller und zielsicherer möglich. Daten, die Auskunft über die Gesundheit oder Krankheiten eines Menschen Auskunft geben, sind aber auch eine sehr sensible Angelegenheit, Missbrauch ist nicht ausgeschlossen.
König-ries: Wichtige Aspekte, wie die Digitalisierung unsere Wirtschaft verändert, werden im Dezember-vortrag beleuchtet, im Januar schließlich wird dargestellt, wie es Wissenschaftlern immer besser gelingt, das System Erde zu verstehen – dank digitaler Daten. Für die folgenden Staffeln der Vorlesungsreihe haben wir die Themen auch schon abgesprochen: Es wird unter anderem um die Energieversorgung gehen, um Verkehrsaufkommen und intelligente Leitung von Verkehrsströmen und um die „Smart City“. Die dritte Staffel soll sich dann den Auswirkungen auf die Gesellschaft und den großen Risiken der digitalen Revolution widmen.
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Erste Vorlesung:
„Das Michael-stifel-zentrum: Datengetriebene und simulationsgestützte Wissenschaften am Standort Jena“; Referenten: Brigitta König-ries und Martin Bücker, Dienstag, . Oktober,
Uhr, Astoria-hörsaal, Unterm Markt , Jena