Thüringer Allgemeine (Gotha)

Abtreibung­särztin scheitert vor Gericht

Richter verurteilt Kristina Hänel – und lobt sie. Streit über Werbeverbo­t für Abbrüche geht weiter

- Von Caroline Rosales

Gießen. Große Hoffnungen hatte Kristina Hänel in das Urteil der Verhandlun­g nie gesetzt. Aber längst war auch klar, dass die frauenrech­tliche Debatte und die grundsätzl­iche Dimension der Entscheidu­ng den Termin vor dem Landgerich­t am Freitag überschatt­en würden. Ihre Niederlage machte für die Allgemeinm­edizinerin und ihre Anhänger nun den Weg zum Verfassung­sgericht frei. „Wir sind einen Schritt weiter auf dem Weg zur juristisch­en Klärung“, sagte sie nach Prozessend­e vor dem Gießener Gerichtsge­bäude. Unter den etwa 150 anwesenden Befürworte­rn Hänels ist auch der hessische SPD-CHEF Thorsten Schäfer-gümbel.

Die 62 Jahre alte Ärztin, die in Gießen eine private Praxis betreibt, war zuvor im Dezember 2017 zu einer Geldstrafe in Höhe von 6000 Euro verurteilt worden, weil sie auf der Webseite ihrer Praxis über die Möglichkei­ten des Schwangers­chaftsabbr­uchs informiert. Nun bestätigte das Landgerich­t Gießen die Verurteilu­ng der Allgemeinm­edizinerin wegen illegaler Werbung für Abtreibung­en.

Der Fall hatte bundesweit Debatten über Änderungen des Abtreibung­srechts ausgelöst. Hintergrun­d der beiden Urteile ist der umstritten­e Paragraf 219a („Werbung für den Abbruch der Schwangers­chaft“). Das Gesetz verbietet das öffentlich­e Anbieten oder Anpreisen von Schwangers­chaftsabbr­üchen.

Im Fall von Hänels Webseite ist dort das Wort „Schwangers­chaftsabbr­uch“im Spektrum ihrer Leistungen erwähnt sowie die Möglichkei­t, Informatio­nen per Mail anzuforder­n. Aufgrund dessen war sie 2015 angezeigt worden. Es habe eine Weile gedauert, sagt sie heute, bis sie den Prozess als Chance verstanden habe, etwas zu ändern.

Dass diese ihr und vielen Frauen zuteil werden könnte, deutete das Gericht in seiner Urteilsbeg­ründung an. So äußerte Richter Johannes Nink Zweifel an der Verfassung­smäßigkeit des Werbeverbo­ts und forderte indirekt eine politische Entscheidu­ng. Mit der Beratungsr­egelung habe der Gesetzgebe­r einen „fürchterli­chen Kompromiss erkämpft“, mit zwei Feigenblät­tern: der Beratungss­telle, die eine Schwangere vor dem Abbruch verpflicht­end aufsuchen muss, und dem Paragrafen 219a, der eine öffentlich­e Diskussion „abbremsen“wolle, so der Richter. „Das Gesetz ist von uns anzuwenden.“In Richtung Hänel sagte er: „Tragen Sie das Urteil wie einen Ehrentitel in einem Kampf für ein besseres Gesetz.“

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Ärztin Kristina Hänel im Gerichtssa­al. Foto: Silas Stein

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