„Ein Schiedsrichter ist auch Teamplayer“
I Landrat Onno Eckert zieht im Gespräch eine Bilanz seiner ersten 100 Tage im Amt und blickt voraus
Gotha. Onno Eckert (SPD) ist 100 Tage als Landrat im Amt. Wie seine Bilanz ausfällt, was in den kommenden Wochen und Monaten ansteht, das sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung.
Herr Eckert, Sie schleppen sogar Tafeln im Landratsamt. Sinnbildlich gesprochen: Sie packen mit an, sorgen für frischen Wind. Wie würden Sie Ihre Rolle als Landrat beschreiben?
Die Frage, ob neuer Wind eingezogen ist, kann ich selbst nicht beurteilen, eher die Mitarbeiter. Aus den Zwischentönen vernehme ich, dass sich etwas geändert hat.
Woraus schließen Sie das? Aus Mitarbeitergesprächen. Wenn gefragt wird: Wo soll ich mich hinsetzen? Und ich antworte: Setzen Sie sich hin, wo Sie möchten.
Das spricht für einen lockeren, unbürokratischen Umgangston in der Kreisverwaltung.
Es muss natürlich auch klar sein, dass es Situationen geben kann, wo es keine Diskussionen gibt.
Hauen Sie als junger Landrat 33 Jahren dann auch mal auf den Tisch?
Ich habe ganz klare Vorstellungen, wie Landratsamt funktioniert.
Die da wären?
Wir haben eine funktionierende Verwaltung, aber sie ist in Teilbereichen nicht auf dem Stand der Zeit, zum Beispiel bei der Email-erreichbarkeit. Ich halte es nicht für zeitgemäß, ausschließlich über Funktionspostfächer zu kommunizieren.
Was ist das?
Ich beschreibe es mal so: Wenn Bürger eine Mitarbeiterin über deren Maildresse erreichen wollen und sie antwortet. Bei einer Nachfrage würde die Mail nicht bei der Mitarbeiterin auflaufen, sondern im Vorzimmer des Amtsleiters und von dort zum jeweiligen Sachbearbeiter weitergeleitet werden. Das ist ein komplizierter Verfahrensablauf, wie ich ihn nicht für zeitgemäß halte.
Wie ließe sich das vereinfachen?
Das ist genau die Frage. Auf den Tisch hauen? Ich habe das zweimal mit dem Personalrat diskutiert. Es ergab sich ein differenziertes Bild. Die einen möchten, dass es so bleibt, andere wollen es ändern. Am Ende muss ich das entscheiden. Meine Position ist klar. Nach Rücksprache mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz geht es nun an die Umsetzung.
Wann mussten Sie das erste Mal im Landratsamt auf den Tisch hauen?
(überlegt) Es war nicht auf offener Bühne. Ich habe kein Interesse daran, jemanden vor versammelter Mannschaft zu exekutieren. Das spiegelt das Bild der zurückliegenden 100 Tage wider, dass der Amtswechsel nahezu geräuschlos vollzogen worden ist. Inwieweit trifft das zu?
Es gibt zwei Gründe, warum dieser Eindruck zutreffend ist. Es besteht eine funktionierende Verwaltungsstruktur. Mit 650 Mitarbeitern ist das Landratsamt eine Art Dickschiff. Das fährt auch mal ohne Kapitän auf der Brücke. Es gab aber keine Zeit ohne Kapitän auf der Brücke. Der alte ist von Bord gegangen, der andere gekommen. Dazwischen war Zeit, dass sich die beiden ausgetauscht haben.
Sie haben vor Amtsantritt Landrat Konrad Gießmann bei einigen Terminen begleitet. Das stimmt so nicht. Ich wollte nicht mit Konrad Gießmann mitlaufen, weil ich nicht der Landrat-azubi bin. Ich brauchte keine Erläuterungen „wie Landrat geht“, weil ich, wie gesagt, klare Vorstellungen habe.
Nennen Sie welche!
Wie Verwaltung, Repräsentation des Kreises, politisches Agieren funktioniert, wie eine Behörde geleitet wird. Meine Arbeit im Landesverwaltungsamt war da eine gute Schule.
Welche größere Aufgabe stand nach Ihrem Amtsantritt an? Die erste größere liegt mit dem Entwurf des Haushaltsplans 2019 vor. Es gab einen erarbeiteten Stand. Als ich ins Amt gekommen bin, lief gerade die Mittelabfrage in den Fachämtern. Dass es ein Haushalt wird, der rund ist, der schon im Entwurf ohne Erhöhung der Kreisumlage auskommt. Da steckt bei aller Bescheidenheit ein Stück weit Agieren des neuen Landrates mit drin.
Wo liegt Ihre Handschrift im Etatentwurf für 2019?
Es ist noch keiner, von dem ich von vorne bis hinten sagen kann: Das ist meiner. Das wäre nach 100 Tagen vermessen. Der Etat 2020 wird meine Handschrift tragen. In Nuancen betrifft das beim Haushalt 2019 Positionen, wo Beträge zur Verwaltungsmodernisierung aufgenommen worden sind, und dass die Kreisumlage stabil bleibt.
Wo würde Ihre Handschrift in Zukunft nach außen hin sichtbar werden?
Ich weiß nicht, ob es im Haushalt sichtbar wird, das ist mehr ein technisches Instrument. Aber darin, dass die Kreisverwaltung moderner aufgestellt ist.
Das heißt?
Sie wird digitaler werden, in welchem Maß und welcher Zeitschiene vermag ich im Moment noch nicht zu prognostizieren.
Welche Themen rücken als Nächstes auf die Agenda?
Ein ganzer Strauß von Themen.
Nennen Sie drei Rosen?
Das ist ein schöner Vergleich. Sie haben nicht nur Blüten, sondern auch Dornen. Eine wäre der Umgang mit den Vorschlägen zum neuen Schulgesetz. Ein weiteres Thema ist der Umgang mit den Rettungsleitstellen. Dazu hat das Land ein Gutachten vorgelegt. Im November werden wir dazu eine Stellungnahme abgeben. Wir haben eine funktionierende Leitstelle. Ich habe aber Sorge, ob das auch in Zukunft tragfähig ist.
Die dritte dornige Rose wäre? Öffentlicher Personennahverkehr. Im Kreistag steht die Entscheidung zur Vergabe der Nahverkehrsdienstleistung ab dem 1. Juli 2019 an. Das Verfahren ist mit Kreistagsbeschluss unterlegt. Wir setzen es jetzt weiter fort. Im Anschluss wird es darum gehen, den ÖPNV für die nächste Vergabe vorzubereiten. Die steht dann in zehn Jahren an. Das erscheint viel, ist es für so einen Prozess aber nicht.
Wird es einen zweiten Gothaer Busstreit geben?
Ich werde mich dafür einsetzen, dass es nie wieder einen Gothaer Busstreit gibt.
Womit hatten Sie nicht gerechnet, als Sie das Amt angetreten haben?
Positiv überrascht hat mich, dass im Landratsamt wahrgenommen worden ist, der Kandidat Onno Eckert kündigt an, wenn er Landrat wird, dass er Freitag um eins Sprechstunde halten wird – per Telefon, Chat oder im direkten Gespräch. Schon in der ersten Wochen gab es vom inneren Service die Information: Wir haben dafür einen Chatmodul eingerichtet. Gewundert hat mich aber auch, dass andere Prozesse so lange Zeit brauchen. Ich weiß, dass die Mühlen der Verwaltung an manchen Stellen sehr langsam mahlen. Bis zum 30. Juni habe ich mich als sehr geduldigen Menschen beschrieben. Mit Amtsantritt musste ich feststellen, dass es auch ungeduldige Seiten gibt.
Die Frage, ob und wie die Stellen der beiden Beigeordneten Helmut Marx und Thomas Fröhlich wieder besetzt ober ausgeschrieben werden, hat Ihre ersten 100 Tage im Amt ein Stück weit geprägt. Wie ist der Stand?
Der Kreistag trifft kommenden Mittwoch die Entscheidung dazu. Die Zeitschiene für den zweiten Beigeordneten habe ich beibehalten. Ich habe wahrgenommen, dass Thomas Fröhlich auf breite Akzeptanz stößt, dass er die Aufgaben verlässlich erfüllt und wir gut miteinander können. Deswegen gibt es für mich keinen Grund, ihn in Frage zu stellen. Beim ersten Beigeordneten wollte ich erst die Struktur des Hauses kennenlernen und dann die Entscheidung treffen. Für Helmut Marx, der zum 31. Oktober in den Ruhestand geht, soll in dieser Führungsposition schnell ein Nachfolger bestimmt werden. Das Ausschreibungsverfahren haben wir mit dem des zweiten Beigeordneten zeitlich angepasst. Mit welchem Ergebnis?
Es gibt mehrere Bewerber. Die geeigneten Bewerber haben sich im Rahmen einer Kreisausschusssitzung vorgestellt. Mit den Fraktionsvorsitzenden gab es dazu im Anschluss ein Gespräch. Der Landrat muss einen Vorschlag unterbreiten.
Wie beurteilen Sie die bisherige Zusammenarbeit zwischen Landrat und Kreistag?
Als gut. Ich meine, zu allen Fraktionsvorsitzenden und Kreistagsmitgliedern einen vernünftigen Draht zu haben. Ich habe die Nutzung eines Messengerdienstes mit den Fraktionsvorsitzenden vorgeschlagen. Das ist auf Begeisterung gestoßen. Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit.
Um Ihr Hobby Fußball als Vergleich heranzuziehen: Würden Sie sich als Mannschaftsspieler oder Schiedsrichter bezeichnen?
Auch ein Schiedsrichter agiert als Teamplayer. Er ist ein Spielmanager.
Ihre Erfahrungen als Schiedsrichter dürften Ihnen da entgegenkommen.
In ganz vielen Punkten, Stressresistenz. Auch damit leben zu können, dass jemand auch mal anderer Meinung ist.
Was trägt Sie?
Meine Familie. Meine Partnerin und unser Sohn sind da sehr tragend. Und zwei weitere Dinge: Musik hören und Sport treiben.