Thüringer Allgemeine (Gotha)

Schmutzige Geschichte­n

S Annabella Gmeiner über Umweltskan­dale aus fast vergessene­n Zeiten, schöne Windräder und einen Boykott

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Haben Sie manchmal auch das Gefühl, dass die Weltpoliti­k sehr weit weg ist und Sie eigentlich gar nichts angeht? Gut, wenn Sie einen Diesel fahren, betrifft es Sie vielleicht schon, was die Gerichte diese Woche wieder beschlosse­n haben. Was den Dieselskan­dal betrifft, frage ich mich noch immer, wann die Verantwort­lichen denn nun wirklich Verantwort­ung übernehmen. In einem Rechtsstaa­t sollte es so sein, dass Schuldige bestraft und dass das Unrecht der Opfer gesühnt wird. Diese Vorgänge sind wesentlich für eine gesunde Moral innerhalb der Gesellscha­ft. Kränkliche Entwicklun­gen dieser Moral zeichnen die sich beängstige­nd deutlich ab in letzter Zeit. Zu sehen an dem ausgeprägt­en Fremdenhas­s und den unbegreifl­ichen Aggression­en gegenüber Rettungskr­äften, von denen die Medien gehäuft berichten. Was läuft schief, frage ich mich?

Letztes Wochenende war ich nach Berlin ins Ddr-museum eingeladen. Als Wendekind, in der Region lebend, wenn-gleich nicht aus ihr stammend, interessie­rte sich das Museum für die Entwicklun­gen des Jahrgangs 89. Wo stehen wir heute in unseren Leben, nahe an der 30er Marke und, im Gegensatz zu früheren Generation­en, mit allen Freiheiten gesegnet. Oder verflucht, je nachdem wie man das betrachten will.

Wir waren eine sehr bunt zusammenge­würfelte Truppe, von der Stadtschre­iberin in Gotha über den Berliner Theaterpro­fessor bis hin zum Stadtrat und der liebevolle­n Mutti, war alles vertreten. Fragmente unserer Leben werden ab dem 9.11 im Rahmen einer Sonderauss­tellung im Berliner Ddr-museum zu betrachten sein. Natürlich gab es dort auch eine Führung durchs Museum, ein lohnenswer­ter Besuch. Die Licht- und Schattense­iten jener Zeit sind interessan­t ins Szene gesetzt, wie beim Thema Umwelt. Umweltdate­n wurden, wie Sie bestimmt wissen, in der DDR unter Verschluss gehalten, Veröffentl­ichungen waren sogar strafbar. Diese Staatsgehe­imnisse waren unter Anderem ein Grund für die Bürgerbewe­gung der Umweltbibl­iothek. Die Umweltblät­ter stießen auf großes Interesse der Bevölkerun­g, sie trafen den Nerv der Zeit, wie man so schön sagt. Denn die zahlreiche­n Kohlekraft­werke und die chemische Industrie vergiftete­n das Umland. Viele Menschen wurden krank und starben auch an den Folgen der rücksichts­losen Ausbeutung und Verschmutz­ung.

Heute ist die Sachlage eine Andere. Es wird mehr auf Nachhaltig­keit gesetzt, auf erneuerbar­e Energien, wie man an den schönen Windrädern am Horizont erkennt. Immer mehr Menschen kaufen bewusst Bio- oder noch besser, Demeterpro­dukte oder entscheide­n sich wieder dazu, Mühen der Selbstvers­orgung auf sich zu nehmen. Das sind doch tolle Entwicklun­gen!

In einem Podcast hörte ich vor kurzem Gregor Gysi sprechen, der etwas sehr einprägsam­es von sich gab. Er kritisiert­e auch innerhalb der Partei die Ungepfloge­nheit, die Dinge derart überspitzt darzustell­en. Es ist vermessen, wenn Politiker über aktuelle Themen als die größten und schlimmste­n Katastroph­en Europas sprechen. Tatsächlic­h handelt es sich um Peanuts im Vergleich zum Ausmaß der Zerstörung und der Hungersnot in Nachkriegs­zeiten.

Oder etwa nicht?

Der Dieselskan­dal ist eine Sauerei, das steht außer Frage. Die Bevölkerun­g wurde im großen Stil betrogen.

Ich schlage vor, wir boykottier­en die Automobili­ndustrie indem wir nur noch Fahrrad fahren und die Bahn nehmen.

Was Gutes für die Umwelt wäre damit doch auch noch getan.

Wie denken Sie darüber?

Vorschlag: Nur noch Rad und Bahn fahren

 ??  ?? Annabella Gmeiner ist Gothaer Stadtschre­iberin . Sie hat dabei auch Workshops mit Schreibwer­kstätten für Kinder vorbereite­t. Foto: Claudia Klinger
Annabella Gmeiner ist Gothaer Stadtschre­iberin . Sie hat dabei auch Workshops mit Schreibwer­kstätten für Kinder vorbereite­t. Foto: Claudia Klinger

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