Neue Herzklappe ohne OP am offenen Brustkorb
Katheter-verfahren soll für alle Patienten schonender sein. Nicht alle Mediziner sind davon überzeugt
Berlin. Bisher gilt das neue Katheter-verfahren zur Transplantation von Herzklappen als eine Option für Patienten, für die eine konventionelle Operation zu belastend wäre. Doch die sogenannte Tavi-methode ist auch für Personen geeignet, für die kein besonderes Op-risiko besteht. Das ist Ergebnis einer neuen Studie, die die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Berlin vorgestellt hat. Demnach sind auch für sogenannte Nicht-risiko-patienten die Gefahren durch die neue Technik gering.
Bei der neuen Methode wird die neue Klappe eng zusammengefaltet per Katheter von der Leiste aus durch die Hauptschlagader ins Herz geschoben. Dort wird die alte Klappe mittels eines speziellen Ballonkatheters zur Seite gesprengt, aber nicht entfernt. An ihrer Stelle wird die neue Aortenklappe verankert. Anders als bisher muss bei Tavi der Brustkorb nicht geöffnet und der Patient nicht an die Herz-lungen-maschine angeschlossen werden. Sogar das Herz schlägt weiter.
Bisher ist umstritten, ob diese Methode auch für Patienten ohne Operationsrisiko sinnvoll wäre. Experten wie Jörg Kempfert, leitender Oberarzt des Deutschen Herzzentrums in Berlin, warnen: In etwa fünf Prozent der Fälle würde es zu undichten Stellen zwischen alter und neuer Herzklappe kommen. Das Sterbe- und Schlaganfallrisiko sei damit deutlich höher. Zudem komme es in zehn bis 20 Prozent der Fälle zu Herzrhythmus-störungen, die einen Herzschrittmacher notwendig machten. Bei der konventionellen Methode sei das nur bei drei Prozent der Patienten der Fall. Generell sei das chirurgische Verfahren inzwischen so ausgereift, dass schwere Komplikationen selten aufträten.
Die Ergebnisse der jetzt vorgestellten Studie haben Dgk-präsident Christian Hamm zufolge die bisherigen Einwände jedoch widerlegt. Darin wurden 200 ausgewählte Nicht-risiko-patienten beobachtet, die eine Herzklappe mithilfe von Tavi transplantiert bekommen hatten. Hier seien in der kritischen Phase weder Todesfall noch Schlaganfall aufgetreten. Kempfert bleibt skeptisch: Er plädiert dafür, fundierte Aussagen erst nach einer größeren Studie mit zufällig zugeordneten Probanden zu treffen. Nach den Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie empfiehlt er, die neue Methode angesichts der Risiken auch künftig auf Patienten zu beschränken, für die ein chirurgischer Eingriff zu gefährlich wäre.
In Deutschland wird die Tavimethode bereits häufiger angewendet als das chirurgische Verfahren, was auch dem Wunsch vieler Patienten entspreche. Laut der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie kam Tavi 2015 in 13.100 von etwa 20.000 Fällen zum Einsatz.