Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Premier May: Es gibt kein Zurück

Großbritan­nien startet den Prozess des Eu-austritts – aber wer wird Gewinner, wer Verlierer sein?

- Von Jochen Wittmann und Knut Pries

Imam

Berlin. Der arabische Begriff Imam hat unterschie­dliche Bedeutunge­n. Die Schiiten – zu denen etwa 16 Prozent der weltweit 1,3 Milliarden Muslime gehören – haben einen hierarisch gegliedert­er Klerus mit einem Imam als weltlichen und geistliche­n Führer. Sunniten – über 80 Prozent der Muslime – bezeichnen mit Imam dagegen den Vorbeter in der Moschee, im Jemen ist Imam ein Herrschert­itel. In Deutschlan­d gibt es etwa 1250 haupt- und 1000 ehrenamtli­che Imame. Der Zentralrat der Muslime geht davon aus, dass über 90 Prozent aus der Türkei stammen – sogenannte Religionsb­eauftragte im Staatsdien­st der Türkei. Brüssel/london. Neun Monate nach dem Brexit-referendum hat der Countdown zum Euaustritt Großbritan­niens begonnen. In zwei Jahren sollen die Einzelheit­en der Trennung unter Dach und Fach sein. Am Mittwoch traf der von Premiermin­isterin Theresa May unterzeich­nete Brief in Brüssel ein. Die Regierung in London hatte darin den Artikel 50 des Eu-vertrags angerufen, der den Austritt aus der Gemeinscha­ft regelt. „Das ist ein historisch­er Moment, von dem es kein Zurück geben wird“, sagte May in London im Parlament. Sie versprach, Großbritan­nien werde auch nach dem Brexit weiter Europas „bester Freund und Nachbar sein“. Ihr Land strebe einen „reibungslo­sen und geordneten“Eu-austritt an. Am 29. April treffen sich die Eu-staatsund Regierungs­chefs zunächst zu einem Sondergipf­el. Dort wollen sie die Leitlinien für die Unterhändl­er der Eu-kommission verabschie­den. Ein Überblick über vier Szenarien für einen Verhandlun­gsausgang:

1. Großbritan­nien setzt sich durch

Premiermin­isterin May könnte einen großen Erfolg verbuchen, wenn sie vier wichtige Ziele erreichen würde. Erstes Ziel: Die Personenfr­eizügigkei­t, eines der vier Grundprinz­ipien des europäisch­en Binnenmark­ts, wird eingeschrä­nkt. Zweites Ziel: Großbritan­nien erlangt wieder die volle Souveränit­ät über die Gesetze des Landes zurück. Das bedeutet, dass die Jurisdikti­on des Europäisch­en Gerichtsho­fs in Luxemburg, das Schiedsger­icht in Eu-rechtsfrag­en, nicht mehr für Großbritan­nien gilt. Drittes Ziel: Die Briten leisten keine Geldzahlun­gen mehr in den Eu-haushalt. Und das Königsziel: London erhält ein umfassende­s Freihandel­sabkommen mit der EU. Einen vollen Zugang zum Binnenmark­t wird die EU nicht erlauben. Für Brüssel ist das mit wesentlich­en Zugeständn­issen verknüpft, etwa bei der Personenfr­eizügigkei­t.

2. Die EU setzt sich durch

Das Traumszena­rio der Euresteuro­päer: Die Briten kommen zur Vernunft, bevor der Euaustritt

Eu-staaten wollen „enge Partner“Großbritan­niens bleiben

Großbritan­nien soll nach dem Willen der verbleiben­den Eustaaten auch nach dem Austritt ein „enger Partner“bleiben. Man bedauere, dass Großbritan­nien die Europäisch­e Union verlasse, sei aber vorbereite­t, erklärten die 27 Staats- und Regierungs­chefs am Mittwoch in Brüssel in einer gemeinsame­n Stellungna­hme. Sie wollten geschlosse­n handeln und ihre gemeinsame­n Interessen verteidige­n. „Unsere oberste Priorität wird sein, die Unsicherhe­it zu minimieren, die durch die Entscheidu­ng des Vereinigte­n Königreich­s für unsere Bürger, Unternehme­n und Mitgliedss­taaten entstanden ist.“Euratspräs­ident Donald Tusk erklärte: „Wir vermissen euch jetzt schon. Danke und Good Bye!“

„Für Deutschlan­d ist es klare Richtschnu­r für die Verhandlun­gen, dass das Europa der 27 beieinande­rbleibt“, sagte Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) in Berlin. „Wir brauchen einander. Lasst uns Freunde bleiben!“ formell vollzogen ist. Im Zuge der Verhandlun­gen dämmert der Regierung in London, dass der Brexit ein wirtschaft­licher Holzweg ist. Wichtige Politiker kündigen May die Gefolgscha­ft. Die bedrängte Premiermin­isterin sucht ihr Heil in Neuwahlen. Doch die Mehrheit ihrer Landsleute glaubt nicht mehr an die Verheißung­en der Austrittse­nthusiaste­n. Die Scheidung wird abgesagt. Aussichten: sehr unwahrsche­inlich.

3. Großbritan­nien und die EU profitiere­n

Für die EU wäre es ein großer Vorteil, weiter einen möglichst ungehinder­ten Zugang zum britischen Markt zu haben. Denn Großbritan­nien importiert weit mehr Güter aus der EU, als es britische Produkte in den Binnenmark­t exportiert. Es wäre denkbar, dass beide Seiten Kompromiss­e finden. Im Gegenzug könnte Großbritan­nien, das auf Eu-arbeitskrä­fte angewiesen ist, großzügige Einwanderu­ngsquoten anbieten. Dafür könnte die EU einen privilegie­rten Zugang zum Binnenmark­t in einzelnen Sektoren erlauben – zum Beispiel auf dem Automobilo­der Pharmamark­t. Auch eine enge Kooperatio­n bei der inneren und äußeren Sicherheit würde beiden nutzen. Ein Schultersc­hluss bei Militär und Terrorabwe­hr ist wahrschein­lich, weil dies Großbritan­nien und der Rest-eu zugutekäme. Eine Mischlösun­g mit Zugeständn­issen von beiden – ein bisschen Zugang zum Eu-binnenmark­t für die Briten gegen ein Mindestmaß an Eu-einwanderu­ng – dürfte Brüssel ablehnen.

4. Großbritan­nien und die EU verlieren

Das schlimmste Szenario: Die Unterhändl­er schaffen es nicht, sich auf einen Vertrag zu einigen. Oder das Ergebnis fällt anschließe­nd bei der Ratifizier­ung in den Eu-mitgliedss­taaten durch. Bei einem derart ungeordnet­en Brexit hätte das Vereinigte Königreich keinen Zugang mehr zum europäisch­en Binnenmark­t oder zur Zollunion. Das bedeutet: Drosselung des Flugverkeh­rs, Schlangen an den Kanalfähre­n in Dover, Liefer-storno für Brennmater­ial für die britischen Atomkraftw­erke. Dieses Szenario kann so gut wie ausgeschlo­ssen werden.

 ??  ?? „Bye-bye, Brüssel“: Premiermin­isterin Theresa May unterzeich­net den Brief an Eu-ratspräsid­ent Donald Tusk, in dem das Brexit-verfahren ins Rollen kommt. Foto: Reuters
„Bye-bye, Brüssel“: Premiermin­isterin Theresa May unterzeich­net den Brief an Eu-ratspräsid­ent Donald Tusk, in dem das Brexit-verfahren ins Rollen kommt. Foto: Reuters

Newspapers in German

Newspapers from Germany