Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
„Was da geleistet wurde, war schon Pionierarbeit“
Wolfgang Zilling spricht über die Anfänge der Verwaltungsgemeinschaft, die Probleme und die Zukunft
▶ Zur Verwaltungsgemeinschaft Bad Tennstedt gehören 13 Gemeinden – Bad Tennstedt, Ballhausen, Blankenburg, Bruchsteldt, Haussömmern, Hornsömmern, Kirchheilingen, Klettstedt, Kutzleben, Mittelsömmern, Sundhausen, Tottleben und Urleben
Gründungsdatum: Bevölkerungsdichte: Fläche:
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Vg-vorsitzender:
Die Verwaltungsgemeinschaft (VG) Bad Tennstedt zählte zu den ersten in Thüringen. Wolfgang Zilling (61) war ihr erster Vorsitzender.
Herr Zilling, Sie waren von 1991 bis 1994 zugleich hauptamtlicher Bürgermeister von Bad Tennstedt und ehrenamtlicher Vg-vorsitzender. Wie kam das?
Ich gehörte damals zum demokratischen Aufbruch. Als Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters gebraucht wurden, wurde ich aufgestellt und auch gewählt. Das Amt des Vg-vorsitzenden habe ich dann 1991 übernommen.
Wir haben uns damals relativ zeitig daran gemacht, die Geschichte der Gemeindeverbände fortzuführen, die es zu Ddrzeiten bereits gab. Denn die kleinen Gemeinden wären nicht in der Lage gewesen, die neuen Verwaltungsaufgaben zu bewältigen. Nach der Änderung der Thüringer Kommunalordnung war es nicht mehr zulässig, die VG ehrenamtlich zu leiten. Da brauchte es einen hauptamtlichen Vorsitzenden.
Wie haben Sie die Anfänge der Verwaltungsgemeinschaft erlebt?
Was es damals alles für Probleme gab, das kann man gar nicht aufzählen. Es waren ja nicht nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die fehlten. Es gab keine Bezirke mehr, sondern Bundesländer, die sich auch erst einmal finden mussten.
Und es gab hier vieles, was bis dahin beispiellos war. Die Rückübertragung von Volkseigentum etwa. Dass der Einheitsvertrag nicht alles berücksichtigen konnte, hat man an vielen Einzelfällen gemerkt. Die mussten dann letztendlich auf der untersten Ebene – also vor Ort – geklärt und geregelt werden.
War damals die Gründung der VG die einzige Möglichkeit?
Nein, es hätte damals schon die Möglichkeit zur Gründung einer Einheitsgemeinde gegeben. Aber unter dem Aspekt der gerade erlangten kommunalen Selbstverwaltung erschien die Stufe mit der Verwaltungsgemeinschaft sinnvoll. So behielten die Gemeinden finanzielle Eigenständigkeit und wurden verwaltungsmäßig aufgefangen.
War das Zusammenwachsen schwer?
Natürlich. Bad Tennstedt hatte eine zentrale Aufgabe auch für die umliegenden Gemeinden. Ballhausen und Urleben hatten beispielsweise eine Grundschule, die waren auf Dauer nicht zu halten. Ähnliche Überlegungen musste man in der Folge mit den Kindergärten anstellen.
Also gab es schmerzliche Einschnitte.
Ich weiß nicht, inwieweit diese Einschnitte letztlich schmerzlich waren. Natürlich tut es weh, wenn die Schule nicht mehr im Ort ist. Aber das waren ja keine Dinge, die mit der Verwaltungsgemeinschaft zusammenhingen, sondern der Gesamtentwicklung geschuldet waren.
Welche Rolle spielte Bad Tennstedt in der Verwaltungsgemeinschaft?
In der Gemeinschaftsversammlung war die Stimmverteilung nach der Einwohnerzahl gewichtet worden. Aufgrund der nicht erheblichen Unterschiede in der Größe war Bad Tennstedt nie in der Lage irgendwelche Alleingänge zu machen. Die vielen kleinen Orte konnten also durchaus immer sagen wo es langgeht.
Haben Sie jemals bereut, das Amt des Vg-vorsitzenden übernommen zu haben?
Das Amt war ja letztlich unkritisch. Aber es gab eine solche Fülle von Aufgaben. Und es gab hohe Ansprüche. Wir wollten ja in kurzer Zeit die „blühenden Landschaften“schaffen. Hermann-josef Eckes war damals Hauptamtsleiter. Was er in dieser Zeit geleistet hat, war bemerkenswert. Er war ein ganz entscheidender Mann. Wir haben dank ihm viele Dinge sehr schnell ins Rollen gebracht. So waren wir sehr schnell, gut strukturiert. Was da geleistet wurde, war schon Pionierarbeit.
Die Gebietsreform spaltet derzeit die Gemeinden, wie sehen Sie die Zukunft der VG?
Man wird nicht umhin kommen, sich weiter auf die Gebietsreform vorzubereiten. Mit einer Verbandsgemeinde könnte man das meiner Meinung nach sehr elegant lösen, aber diese Form ist gegenwärtig nicht vorgesehen. Da sind zentrale Aufgaben gebündelt in der Verantwortung, aber jede Gemeinde hat noch ihre eigene Hoheit.
Was würde Sie raten?
Man muss vor allem einen sachlichen Dialog führen. Auch wenn es unterschiedliche Befindlichkeiten und Interessen gibt. Damals hatten wir nicht die Möglichkeit, immer sorgfältig abzuwägen, weil wir mit ständigen Veränderungen im Umfeld beschäftigt waren. Meiner Meinung nach sollte man die Zeit nutzen. Und so wie es der derzeitige Gemeinschaftsvorsitzende tut, sich auf alle Eventualitäten einstellen. Denn die VG weiterzuführen, ist nicht das Problem.
Es ist wichtig, die Fusion in geordnete Bahnen zu lenken, um zu verhindern, dass die VG Zwangseinheitsgemeinde wird. Jeder Zusammenschluss läuft letztlich darauf hinaus, eine Optimierung von Kompromissen zu finden.
Sind Sie froh, die Entwicklung aus der Ferne betrachten zu können?
Ja. Ich kann das alles als Privatperson sehen und bin dankbar, dass ich das nicht unter meiner Verantwortung umsetzen muss.