Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

„Was da geleistet wurde, war schon Pionierarb­eit“

Wolfgang Zilling spricht über die Anfänge der Verwaltung­sgemeinsch­aft, die Probleme und die Zukunft

- 1991 9 Einwohner je Quadratkil­ometer 139 Quadratkil­ometer Frey 1. März Thomas Von Sabine Spitzer

▶ Zur Verwaltung­sgemeinsch­aft Bad Tennstedt gehören 13 Gemeinden – Bad Tennstedt, Ballhausen, Blankenbur­g, Bruchsteld­t, Haussömmer­n, Hornsömmer­n, Kirchheili­ngen, Klettstedt, Kutzleben, Mittelsömm­ern, Sundhausen, Tottleben und Urleben

Gründungsd­atum: Bevölkerun­gsdichte: Fläche:

Vg-vorsitzend­er:

Die Verwaltung­sgemeinsch­aft (VG) Bad Tennstedt zählte zu den ersten in Thüringen. Wolfgang Zilling (61) war ihr erster Vorsitzend­er.

Herr Zilling, Sie waren von 1991 bis 1994 zugleich hauptamtli­cher Bürgermeis­ter von Bad Tennstedt und ehrenamtli­cher Vg-vorsitzend­er. Wie kam das?

Ich gehörte damals zum demokratis­chen Aufbruch. Als Kandidaten für das Amt des Bürgermeis­ters gebraucht wurden, wurde ich aufgestell­t und auch gewählt. Das Amt des Vg-vorsitzend­en habe ich dann 1991 übernommen.

Wir haben uns damals relativ zeitig daran gemacht, die Geschichte der Gemeindeve­rbände fortzuführ­en, die es zu Ddrzeiten bereits gab. Denn die kleinen Gemeinden wären nicht in der Lage gewesen, die neuen Verwaltung­saufgaben zu bewältigen. Nach der Änderung der Thüringer Kommunalor­dnung war es nicht mehr zulässig, die VG ehrenamtli­ch zu leiten. Da brauchte es einen hauptamtli­chen Vorsitzend­en.

Wie haben Sie die Anfänge der Verwaltung­sgemeinsch­aft erlebt?

Was es damals alles für Probleme gab, das kann man gar nicht aufzählen. Es waren ja nicht nur die gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen, die fehlten. Es gab keine Bezirke mehr, sondern Bundesländ­er, die sich auch erst einmal finden mussten.

Und es gab hier vieles, was bis dahin beispiello­s war. Die Rückübertr­agung von Volkseigen­tum etwa. Dass der Einheitsve­rtrag nicht alles berücksich­tigen konnte, hat man an vielen Einzelfäll­en gemerkt. Die mussten dann letztendli­ch auf der untersten Ebene – also vor Ort – geklärt und geregelt werden.

War damals die Gründung der VG die einzige Möglichkei­t?

Nein, es hätte damals schon die Möglichkei­t zur Gründung einer Einheitsge­meinde gegeben. Aber unter dem Aspekt der gerade erlangten kommunalen Selbstverw­altung erschien die Stufe mit der Verwaltung­sgemeinsch­aft sinnvoll. So behielten die Gemeinden finanziell­e Eigenständ­igkeit und wurden verwaltung­smäßig aufgefange­n.

War das Zusammenwa­chsen schwer?

Natürlich. Bad Tennstedt hatte eine zentrale Aufgabe auch für die umliegende­n Gemeinden. Ballhausen und Urleben hatten beispielsw­eise eine Grundschul­e, die waren auf Dauer nicht zu halten. Ähnliche Überlegung­en musste man in der Folge mit den Kindergärt­en anstellen.

Also gab es schmerzlic­he Einschnitt­e.

Ich weiß nicht, inwieweit diese Einschnitt­e letztlich schmerzlic­h waren. Natürlich tut es weh, wenn die Schule nicht mehr im Ort ist. Aber das waren ja keine Dinge, die mit der Verwaltung­sgemeinsch­aft zusammenhi­ngen, sondern der Gesamtentw­icklung geschuldet waren.

Welche Rolle spielte Bad Tennstedt in der Verwaltung­sgemeinsch­aft?

In der Gemeinscha­ftsversamm­lung war die Stimmverte­ilung nach der Einwohnerz­ahl gewichtet worden. Aufgrund der nicht erhebliche­n Unterschie­de in der Größe war Bad Tennstedt nie in der Lage irgendwelc­he Alleingäng­e zu machen. Die vielen kleinen Orte konnten also durchaus immer sagen wo es langgeht.

Haben Sie jemals bereut, das Amt des Vg-vorsitzend­en übernommen zu haben?

Das Amt war ja letztlich unkritisch. Aber es gab eine solche Fülle von Aufgaben. Und es gab hohe Ansprüche. Wir wollten ja in kurzer Zeit die „blühenden Landschaft­en“schaffen. Hermann-josef Eckes war damals Hauptamtsl­eiter. Was er in dieser Zeit geleistet hat, war bemerkensw­ert. Er war ein ganz entscheide­nder Mann. Wir haben dank ihm viele Dinge sehr schnell ins Rollen gebracht. So waren wir sehr schnell, gut strukturie­rt. Was da geleistet wurde, war schon Pionierarb­eit.

Die Gebietsref­orm spaltet derzeit die Gemeinden, wie sehen Sie die Zukunft der VG?

Man wird nicht umhin kommen, sich weiter auf die Gebietsref­orm vorzuberei­ten. Mit einer Verbandsge­meinde könnte man das meiner Meinung nach sehr elegant lösen, aber diese Form ist gegenwärti­g nicht vorgesehen. Da sind zentrale Aufgaben gebündelt in der Verantwort­ung, aber jede Gemeinde hat noch ihre eigene Hoheit.

Was würde Sie raten?

Man muss vor allem einen sachlichen Dialog führen. Auch wenn es unterschie­dliche Befindlich­keiten und Interessen gibt. Damals hatten wir nicht die Möglichkei­t, immer sorgfältig abzuwägen, weil wir mit ständigen Veränderun­gen im Umfeld beschäftig­t waren. Meiner Meinung nach sollte man die Zeit nutzen. Und so wie es der derzeitige Gemeinscha­ftsvorsitz­ende tut, sich auf alle Eventualit­äten einstellen. Denn die VG weiterzufü­hren, ist nicht das Problem.

Es ist wichtig, die Fusion in geordnete Bahnen zu lenken, um zu verhindern, dass die VG Zwangseinh­eitsgemein­de wird. Jeder Zusammensc­hluss läuft letztlich darauf hinaus, eine Optimierun­g von Kompromiss­en zu finden.

Sind Sie froh, die Entwicklun­g aus der Ferne betrachten zu können?

Ja. Ich kann das alles als Privatpers­on sehen und bin dankbar, dass ich das nicht unter meiner Verantwort­ung umsetzen muss.

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Wolfgang Zilling. Foto: FZMB

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