Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Drücken, nicht schütteln
Die Thüringer Benimm- und Kommunikations-expertin Annett Schlegel hält Knigge auch nach über 220 Jahren für zeitgemäß
Kahla. Links statt rechts vom Teller. Wer die Serviette so platziert, macht alles richtig. Und wer sie nach dem Essen auch an diese Stelle legt, setzt sein gutes Benehmen fort. „Die Serviette auf dem Teller und schlimmstenfalls noch zerknüllt – das gehört sich nicht“, mahnt Kommunikationstrainerin Annett Schlegel. Die 47-Jährige, die zum Vorstand der Deutschen Knigge-gesellschaft zählt, hat noch viele weitere Benimm-regeln parat. Zu diesen zählen beispielsweise, dass man beim Händeschütteln dem Gegenüber unbedingt in die Augen schauen muss. Und die vollständig umfasste Hand sollte mit mittlerer Kraft gedrückt werden. Ohne sie mehrere Male zu schütteln. Annett Schlegel gibt auch den Tipp, dass der Parfüm-duft lieber sparsam als zu aufdringlich sein soll. Es des weiteren zum Anstand gehöre, bei einer Verabredung bzw. einem Treffen den Anwesenden stets die hinzu kommende Person vorzustellen. Und sie erwähnt, dass beim Nießen — zumindest im Geschäftlichen und in der Schule – der Verursacher „Entschuldigung“sagt, das Wünschen von „Gesundheit“aber nach wie vor nicht verpönt ist. Annett Schlegel, die aus Kahla stammt und mittlerweile in Jena, Berlin und Potsdam ihre Büros hat, lehrt sozusagen das Einmaleins der guten Manieren. Da blau schon immer ihre Lieblingsfarbe war, spiegelt sich das auch im Namen ihrer Firma wieder. Die einstige Bankkaufrau bietet nach langjähriger Ausbildung über „bluecoaching“Seminare für den geeigneten Umgang in verschiedensten Formen an: mit Kommunikations-training für Unternehmen, Hinweisen für die Ess-, Tisch- und Kleidungskultur. Sie unterstützt Sportler vor Auftritten in der Öffentlichkeit,erläutert Kindern und Jugendlichen höfliches Benehmen. „Aber ich trete nicht als Oberlehrerin auf, gebe nur Empfehlungen und erteile keine Vorschriften“. Schon gar nicht für das Verhalten in der Freizeit. Im Geschäftlichen allerdings, so Annett Schlegel, würden gewisse Regeln gelten und müssten auch strenger beachtet werden.
In diesem Bereich arbeitet sie seit Kurzem mit Mandy Gille zusammen, die als Gebietsdirektorin für das Unternehmensnetzwerk Business Network International (BNI) fungiert, das weltweit Kunden zusammen bringt. Auch in Thüringen entwickelt sich das Netzwerk – in Jena, Erfurt, Gotha, Saalfeld und Rudolstadt. Der Slogan „Wer gibt, gewinnt“sei ja eng mit gewissen Anstandsformen verbunden, so Mandy Gille.
Gerade im beruflichen Alltag komme es laut Annett Schlegel neben der Mimik und Gestik auf Dresscode und Erscheinungsbild an. Sie spricht von den drei wichtigen W: „Wirkung, Wahrnehmung,wiedergabe“. Gutes Benehmen hält sie mehr denn je für hochaktuell. Die Grundlage dessen, das Buch „Über den Umgang mit Menschen“von Adolph Franz Friedrich Ludwig Freiherr Knigge, hat sie in späterer Auflage mehrmals gelesen.
Das erste Erscheinen ist mittlerweile 229 Jahre her. Wobei Knigge das eher steife Korsett der Rituale aufschnüren wollte. Er arbeitete als Verwaltungsbeamter an Fürstenhöfen, kritisierte das „Hofgeschmeisse“an Schlössern und Burgen, musste sich des Geldes wegen aber mit den „Hofschranzen“einlassen. Doch er entwickelte so etwas wie Regeln des wahren menschlichen Anstands, die auch in Zeiten des Wandels Halt und Orientierung geben. Dazu, so Knigge, würde eine „gewisse Geschmeidigkeit“notwendig sein, die jedoch keine „schändliche, niedrige Gefälligkeit“sein dürfe. Als Kammerherr diente er unter anderem am Hofe des Herzogs Karl August von Sachsen-weimar-eisenach, wo auch Johann Wolfgang Goethe verkehrte. Sein Glück fand er dort nicht, allerdings genug Anhaltspunkte, um Manieren aus seiner Sicht festzuschreiben. Noch immer profitieren die Menschen heute von seinen Hinweisen. Annett Schlegel ist überzeugt, dass man das gute Benehmen lernen kann. „Das zeigen meine Kurse für junge Menschen, die vor der Jugendweihe, Kommunion oder Konfirmation stehen“. Die Erfahrungen würden außerdem bezeugen, dass Respekt und Anstand schon die eine oder andere Tür geöffnet haben“. Insofern könnte diese beispielsweise durch einen falschen Händedruck hier und da auch mal geschlossen bleiben. Doch Annett Schlegel spürt, dass auf Knigge, auf Manieren, wieder viel Wert gelegt wird. Nicht nur beim Essen. Nicht nur beim Legen von Servietten.