Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
„Ein Signal für das Ende des deutschen Stadttheaters“
Kulturmanager Michael Schindhelm über seinen neuen Roman, der den Berliner Theaterbetrieb aufs Korn nimmt
als Generaldirektor der Berliner Opernstiftung Abstand gehalten. Seit über zehn Jahren war ich dort nicht mehr im Theater. Mein Roman „Letzter Vorhang“ist ein Signal dafür, dass die Geschichte des deutschen Stadttheaters wirklich ein Ende nimmt. Es ist eine ironische Hommage an den idealistischen Theaterbetrieb, den ich vor gut zehn Jahren
Wie meinen Sie das?
Das Theater ist ein Biotop, in dem man miteinander lebt. Es ist wie eine virtuelle Familie. Die Theater geraten aber immer mehr unter ökonomischen Druck. Darum befürchte ich, dass über diesem Theaterbiotop vielleicht tatsächlich der Vorhang fällt. In Thüringen haben wir das schon erlebt. Andere Theater haben das eigene Verschwinden gar nicht mitbekommen.
Der Intendant Hartung in Ihrem Buch ist als Frank Castorf schnell identifiziert: Sind Sie tatsächlich unversöhnlich?
Mit Frank Castorf und seinem Nachfolger Chris Dercon verbindet mich eine lange professionelle Freundschaft. Castorf machte bei mir in Basel vor fast 20 Jahren seine erste Oper.
„Ehrlichkeit ist die einzige Waffe, mit der Sie diese Leute beeindrucken können“, heißt es in dem Buch: Haben Sie diese Erfahrung gemacht?
Wir leben im Zeitalter der Posttruth, der Unwahrheiten und Halbwahrheiten. Tatsächlich hat es die Manipulation von Meinung und Wahrheit schon früher gegeben. Das kennen wir aus der DDR. Das war auch ein Grund für mich, die Opernstiftung zu verlassen. Lange hielt sich auch das Gerücht, dass mich Angela Merkel zum Bundesbeauftragten für Kultur machen wollte. Ich hätte diesen Posten nie angenommen, weil ich in der Welt der Politik gar nicht funktioniere.
Sie werden das Buch in Nordhausen vorstellen. Als sie 2001 mit „Zauber des Westens“aufgetreten sind, gab es eine Bombendrohung. Womit rechnen Sie dieses Mal?
Ich freue mich auf die Lesung, die eine treue Buchhandlung vorbereitet hat, wie auf das Theater Nordhausen. Und ich freue mich auf den Intendanten, der früher in Mulhouse gearbeitet hat, also in meiner einstigen Nachbarschaft.
▶ ▶
Lesung: . ., Nordhausen, Theaterrestaurant, um Uhr
Michael Schindhelm: Letzter Vorhang, Verlag Theater der Zeit, Seiten, , Euro