Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Aus nach 23 Jahren: Lädchen in Niederdorla öffnet heute zum letzten Mal
Heyeröder Bäcker übernimmt Teil der Lebensmittelversorgung im Dorf. Aus einstiger Bäckerei werden Wohnungen und Ferienwohnungen
Niederdorla. Mit dem heutigen Freitag enden für Stefanie Schill (59), die im Dorf alle nur Steffi nennen, 26 Jahre der Selbstständigkeit. Der kleine Lebensmittelladen im Zentrum von Niederdorla schließt. „Es hat sich nicht mehr gelohnt. Wir konnten keine schwarze Null mehr schreiben“, sagt Schill. 1991 eröffnete sie mit ihrer Schwester Martina Stiefel einen „Mittelpunktsshop“. „Die Euphorie war groß – in den Jahren nach der Wende sowieso und weil wir als geografischer Mittelpunkt vermessen wurden, noch einmal besonders“, erzählt Schill, die lange Jahre in Mühlhausen als Buchhändlerin gearbeitet hat. Doch die Euphorie wich auch im Mittelpunktsdorf dem Realismus. Von den Touristen konnte man nicht leben; es kamen einfach viel zu wenige. So übernahmen die Familien Schill und Stiefel dann, im Jahr 1994, den zum Verkauf stehenden Dorfkonsum, sattelten um auf den Verkauf von Lebensmitteln. Mit Erfolg. „In den 1990ern hatten wir rund 75 Menschen, die bei uns ihr Vollsortiment gekauft haben. Insgesamt hatten wir pro Woche damals 300 Kunden “, sagt Steffi Schill. Heute, knapp 20 Jahre später, ist das anders. Es sind „vielleicht noch sechs oder sieben“, die ihre gesamten Einkäufe in dem Lädchen in Niederdorla erledigen; insgesamt zählt man um die 50 Kunden pro Woche.
Und das sind meist die Alten aus dem Dorf, so wie die 90-jährige Margot Franke. Auch sie kam diese Woche noch zum Einkaufen. Allerdings blieb ihr Korb weitgehend leer: ein Päckchen Salz und eine Glückwunschkarte. Dennoch zeigt sich Steffi Schill zufrieden mit dem Abverkauf, der noch bis zum heutigen Freitag dauert. Anders als der gegenüber liegende Bäckerladen schließt das Geschäft allerdings nicht. Etwa ein Drittel der Fläche wird weiter genutzt. Bäcker Henning aus Heyerode ist eingezogen – mit Brot, Brötchen, Kuchen, aber auch mit Obst, Gemüse, Konserven, Getränken, Fleisch und Wurst. Tiefkühlware soll in den nächsten Wochen noch hinzukommen. „Für uns ist es Neuland“, sagt Gudrun Henning (61), die aus Niederdorla stammt, aber seit 41 Jahren in Heyerode lebt. „Mit Niederdorla fühle ich mich noch immer verbunden.“In der vergangenen Woche wurde ihr Geschäft eröffnet. Es sei, sagte Gudrun Henning, sehr gut angelaufen. In Mühlhausen, am Blobach, bietet man im kleineren Rahmen ebenfalls neben Backwaren Lebensmittel an; in Heyerode, wo sich das Hauptgeschäft befindet, betreiben die Hennings auch das Wiesencafé, dazu kommt eine kleine Filiale in Wanfried.
Nun also auch in größerem Rahmen in Niederdorla, wo bereits seit einem halben Jahrzehnt in Schills Lädchen Henningbrot verkauft wurde.
Für Steffi Schill und ihren Mann, Eberhard, den stellvertretenden Bürgermeister der Landgemeinde Vogtei, ist es wichtig, dass es weitergeht. Sie gibt ihren Kunden in ihren letzten Arbeitstagen
Fast jeder Vierte im Dorf ist älter als 65
immer mit auf den Weg: Nutzt den Laden, damit der Niederdorla erhalten bleibt. „Wir in der Vogtei haben alles zu bieten, was ein Grundzentrum ausmacht, auch wenn wir das auf dem Papier nicht sind. Und wir hatten das größte kleine Lebensmittellädchen in der Region“, meint Schill. Als Niederdorlaer ist er – zurecht – auch stolz auf die Entwicklung seiner Gemeinde. Seit Gründung der Landgemeinde im Jahr 2013 wuchs die Zahl der Einwohner um 13. Nach Auskunft der Gemeindeverwaltung, die in Oberdorla sitzt, leben derzeit 1357 Menschen in Niederdorla. Allerdings: 330 von ihnen sind älter als 65 – fast jeder Vierte. Doch die Generation wird mobiler. Zum Einkaufen geht es in den Markt im Nachbardorf Oberdorla und nach Mühlhausen. Nicht zuletzt die übermächtige Konkurrenz der Märkte war es, die zur Schließung des Lädchens führte. Für Steffi Schill bedeutete das: weniger Kunden, schlechtere Bedingungen bei den Großhändlern, schlechtere Preise oder weniger Gewinn. In das Haus, das bis vor anderthalb Jahren Niederdorlas Bäckerei war, zieht wieder Leben ein. Die Gemeinde hat es verkauft, zwei Wohnungen sollen entstehen und im Dachgeschoss zwei Ferienwohnungen.