Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)
Blitzumfrage: An jeder Schule fehlt im Schnitt ein Lehrer
Thüringer Lehrerverband weist auf gravierenden Personalmangel hin. Ministerium sieht seine Einstellungspolitik bestätigt
Erfurt. Eine Blitzumfrage des Thüringer Lehrerverbands (tlv) zeigt aus dessen Sicht erneut das Ausmaß des Lehrermangels im Freistaat auf: Danach mussten zu Beginn des zweiten Halbjahres 74 Prozent der Schulen wegen der angespannten Personalsituation Anpassungen am Stundenplan vornehmen. Im Schnitt fehlten jeder Schule rund 20 Lehrerwochenstunden – ohne Krankmeldungen.
Die Online-befragung, die vom Dienstagmorgen bis Mittwochmittag dieser Woche lief, ist allerdings nicht repräsentativ: Von den 834 angefragten Schulen beteiligten sich nur 234 (28 Prozent). tlv-landeschef Rolf Busch hält das dennoch für eine „enorme Rückmeldequote“und interpretiert sie als Signal dafür, „wie sehr es an den Schulen klemmt“.
Am größten sei das Interesse vonseiten der Grund- und Regelschulen gewesen. „Das deckt sich mit unserer Wahrnehmung, dass dort der Lehrermangel schon jetzt überdeutlich zu spüren ist“, so Busch. 167 Schulen hätten den Stundenplan zu Beginn des neuen Halbjahres anpassen müssen. Die Gründe dafür seien, dass viele Lehramtsanwärter mit Beginn der Winterferien ihr Referendariat beendet haben (91 Fälle), 65 Lehrer in den Ruhestand gingen und bei weiteren 24 Pädagogen die Befristung ihrer Stelle auslief.
„Im Klartext bedeutet das: Gemessen am Stundenplan fehlt pro Schule fast ein ganzer Lehrer. Und da es sich beim Gros der vermeldeten Neueinstellungen um befristete Verträge handelt, wird sich dieses Problem in naher Zukunft weiter verschärfen“, schlussfolgert Busch.
Mit Skepsis reagiert der Verband auf die Ankündigung des Bildungsministeriums vom Wochenende, im zweiten Halbjahr nicht nur 150, sondern 177 neue Lehrer dauerhaft einstellen zu wollen. Eine eigene Umfrage unter den Schulämtern habe nicht erhellen können, wo die zusätzlichen 27 Stellen landen. Drei Ämter haben demnach jeweils genau 30 Stellen bestätigt, ein viertes die Differenz mit bereits vor den Ferien vollzogenen Neueinstellungen erklärt.
Das Bildungsministerium sieht sich indes nach den Worten seines Sprechers durch die Umfrage in seiner Einstellungspolitik bestätigt: Tatsächlich, so Frank Schenker, würden im Januar und Februar 177 Lehrer unbefristet neu eingestellt. Die Erhebung bestätige in der Tendenz den Fakt, „dass jede ausscheidende Lehrkraft ersetzt werden soll“. Eine Stundenplanveränderung sei zudem kein ungewöhnlicher Vorgang. Schenker widerspricht der Erwartung, dass fertige Referendare stets an ihrer Ausbildungsschule unbefristet eingestellt werden: Die Ausbildung erfolge in der Regel an einer Schule, die diese Ausbildung auch gewährleisten kann, die unbefristete Stelle aber bekomme die Schule mit dem größten Bedarf. Daher müssten beide nicht identisch sein.
Die Differenz bei der Zahl der Neueinstellungen ergebe sich aus dem Versprechen, dass weitere Stellen besetzt werden können, wenn mehr als 30 Lehrer pro Schulamtsbereich in Rente gehen. In Nordthüringen würden deshalb jetzt 32, in Ostthüringen 40, in Südthüringen 38, in Westthüringen 37 Lehrkräfte neu eingestellt.