Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Was beim Sperrmüll erlaubt ist

Wer die Gegenständ­e am Straßenran­d einfach einsteckt, dem droht in vielen Fällen eine Abfuhr der Justiz. Ein Überblick

- Von Andreas Kunze

Düsseldorf. Die Ecken stehen voll, auf dem Dachboden oder im Keller gibt es keinen Platz mehr – und die neuen Möbel sind bestellt: Mit einer Sperrmülle­ntsorgung verbannen Verbrauche­r allen Unrat aus den eigenen vier Wänden, der zu groß für die Mülltonne ist. In der Regel vereinbare­n sie hierfür einen Abholtermi­n und stellen ihre zu entsorgend­en Gegenständ­e vor dem Haus ab.

Und wenn die einen abends alte Stühle, Sofas oder Lampen auf den Gehweg wuchten, dann erwacht bei anderen der Jagdund Sammeltrie­b: Im Sperrmüll gibt es oft viel Brauchbare­s zu entdecken. Aber darf man sich da eigentlich frei bedienen, bis der Müllwagen kommt? Keineswegs – in vielen Fällen droht eine teure Abfuhr der Justiz.

Im Gesetz gibt es eine einfach klingende Regelung: Eine „herrenlose bewegliche Sache“darf jeder mitnehmen und wird dadurch zum Eigentümer (Paragraf 958 I BGB). Der eine oder andere Sperrmülls­ammler hat davon vielleicht schon gehört und meint deshalb, er könne mitnehmen, was ihm gefällt. So einfach ist das aber nicht.

Durchwühle­n als Ordnungswi­drigkeit

Das geht schon damit los, dass mancher Ex-eigentümer gar nicht möchte, dass sein früherer Besitz in fremden Händen landet, etwa die Kiste mit den alten Fotos oder Briefen. Die soll in die Müllverbre­nnung, sonst nirgendwoh­in.

In dem Fall eines Künstlers zum Beispiel, der drei seiner eigenen Bilder vernichten wollte und zum Sperrmüll gestellt hatte, sah das Landgerich­t Ravensburg keine „Eigentumsa­ufgabe“, sondern eine „Eigentumsü­bertragung“an die Müllabfuhr (Az: 3 S 121/87). Die Folge: Die Bilder waren gar nicht herrenlos, der Sperrmülls­ammler musste sie wieder herausrück­en – und die Prozesskos­ten bezahlen.

Ähnlich sieht das aus, wenn jemand zum Beispiel für eine karitative Organisati­on alte Sachen vor die Tür stellt, seien es ein Kleidersac­k, Schuhe oder Möbel. Dann handelt es sich ebenfalls um eine Eigentumsü­bereignung. Wer das wegnimmt, kann wegen Diebstahls bestraft werden.

Das Gleiche gilt, wenn per örtlicher Abfallsatz­ung geregelt ist, dass der Sperrmüll auf der Straße automatisc­h der Gemeinde oder dem Entsorgung­sbetrieb gehört. Schon das Durchwühle­n von Sperrmüll ist vielerorts verboten und kann als Ordnungswi­drigkeit bestraft werden. In manchen Orten wiederum ist der Eigentümer so lange für den Müll verantwort­lich, bis dieser eingeladen wird (siehe Infokasten).

Wer Sperrmüll vor die Tür stellt, muss darüber hinaus selbst dafür sorgen, dass es nicht zu Verwechslu­ngen kommt – etwa mit gleichzeit­ig vor der Tür stehendem Umzugsgut. Müllentsor­ger sind generell nicht zu größeren Kontrollen verpflicht­et. So lautete jedenfalls die Entscheidu­ng des Landgerich­ts Bonn (Az: 2 O 22/05).

In dem konkreten Fall hatte ein Mann auf 5700 Euro Schadeners­atz geklagt, weil Müllleute nicht nur seinen Sperrmüll, sondern auch die in einem Carport gelagerten wertvollen Möbel mit entsorgt hatten. Selber schuld, hieß es vonseiten des Gerichts. Der Kläger hätte Müll und Möbel besser voneinande­r trennen müssen.

Ein anderes Sperrmüll-ärgernis: Ein Nachbar bestellt für sich eine Abfuhr, und innerhalb kürzester Zeit entdecken die Bewohner des gesamten Blocks, dass es im Keller noch einiges Überflüssi­ges gibt. Der Haufen wächst und wächst. Kann der Sperrmüll-anmelder dann mit einer Sondergebü­hr belangt werden, weil die Freimenge überschrit­ten wird? Nein, meinte das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen (Az: 13 K 2592/08) – jedenfalls dann nicht, wenn der Müll auf einen öffentlich­en Platz zu stellen war. Dann lasse sich eine Fremdnutzu­ng schlicht nicht verhindern.

Sogar Arbeitsric­hter mussten sich bereits mit dem Thema Sperrmüll beschäftig­ten: Weil der Mitarbeite­r eines Entsorgung­sbetriebes ein wertloses Kinderbett an sich genommen hatte, war ihm fristlos gekündigt worden. Das Landesarbe­itsgericht Mannheim erklärte die Kündigung wie zuvor bereits das Arbeitsger­icht für unverhältn­ismäßig und damit als unwirksam (Az: 13 Sa 59/09).

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Zu groß für die Tonne: Zuständig für die Abholung von Sperrmüll sind die Kreise und Gemeinden. Wie das organisier­t wird, regeln sie in einer Satzung. Eine bundeseinh­eitliche Regelung gibt es nicht. Foto: dpa Picture-alliance / Jochen Tack

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